Ein Projekt zwischen Design-Sprint, Minimum Viable Product und User Centered Design.
Schwerpunkte der Interaktionsgestaltung und Internet der Dinge
Wie macht man ein Design-Projekt in einem interdisziplinärem Team?
Wie erlangt man schnell zu Erkenntnissen und Entwürfen im Lösungsraum?
Ein Projekt zwischen Design-Sprint, Minimum Viable Product und User Research.
Workshops mit Externen und Internen Dozierenden ergänzen das Projekt.
Lehrinhalt
Lean Frameworks und Designmethoden.
Lernziel »Wir irren uns empor« (Harald Lesch).
Analytische Herangehensweise und Erkenntnisgewinn aus (gescheiterten) Projekten.
Mit einigen Leitplanken ist das Fehler-Machen erwünscht und dient dem Lernprozess! Nicht das Ergebnis steht im Vordergrund, sondern der Prozess.
Prof. Hans Kraemer, Prof. Jens Döring, Lena Fricke, Prof. Günther Biste, Prof. Dr. Markus Weinberger, Vanessa Stoeckel
Bridge - Behandlungsunterstützung für Epileptiker
Ein mobiles EEG mit begleitender Software. Eine Brücke zwischen Ärzten und Patienten.
Einleitung - Wieso dieses Thema?
Epileptische Anfälle lassen sich meist nur mit der Hilfe von EEG Aufnahmen richtig diagnostizieren und behandeln. Patienten mit Epilepsie müssen dafür in meist klinischen Aufenthalten, welche mehrere Stunden oder auch Tage dauern können, in einer ungewohnten Umgebung verharren und sind durch die vielen Elektroden und Kabel zum Nichtstun gezwungen. Nach der Diagnose wird Epilepsie in ⅔ der Fällen medikamentös behandelt. Hier sind weitere Untersuchungen, auch mit EEG-Aufnahmen, nötig um die Effektivität der Medikamente zu beobachten.
Bridge verfolgt das Ziel klinische Aufenthalte fast gänzlich zu vermeiden, indem die Patienten von daheim aus EEG-Aufnahmen machen und mit ihren Ärzten teilen können. Ausserdem sind weitere Features wie ein Epilepsie-Tagebuch integriert und über einen Kalender mit den Aufnahmen gekoppelt um die Behandlung mit zusätzlichen Informationen zu erleichtern. Das behandelnde Fachpersonal kann remote auf die vom Patienten bereitgestellten Daten zugreifen. Unser System soll Zeit sparen, den Patienten und das Fachpersonal entlasten und zusätzliche Informationen zum Zustand unseres Patienten abfragen um die Behandlung zu erleichtern.
Recherche
Da die Recherchearbeit einen großen Teil dieses Projektes einnahm, möchten wir hier auch etwas genauer auf unseren Prozess eingehen.
Krankheitsbild und EEG-Technologie
Eine Krankheit, viele Gesichter
Epilepsie ist eine Erkrankung, bei der das gesamte Gehirn oder einzelne Bereiche übermäßig aktiv sind und zu viele Signale abgeben. Dies löst die sogenannten epileptischen Anfälle aus, welche sich in ihrer Art von Patient zu Patient stark unterscheiden können. Von unbemerkbaren Anfällen bis hin zu Krämpfen des gesamten Körpers.
Elektroenzephalographie
Elektroenzephalographie (EEG) ist eine Methode der Neurologie zur Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Schwankungen in der Spannung an der Kopfoberfläche über angebrachte Elektroden. Moderne Soft- und Hardware für die Elektroenzephalographie.
Leben mit Epilepsie
Mit einer epileptischen Erkrankung zu leben kann viele Gefahren und Einschränkungen mit sich bringen:
ständige Gefahr und hohes Verletzungsrisiko (Straßenverkehr, Sport, …)
weitere Auswirkungen auf die Lebensqualität (mentale Gesundheit, Sexualität, …)
Recherche und Dialoge
Im Gespräch mit Patienten
Bei ausgedehnte Gesprächen mit Epileptikern eines Onlineforums mit ~20k Mitgliedern konnten wir uns ein genaueres Bild der Probleme und Sorgen der Betroffenen machen. Im Dialog erfuhren wir von den unterschiedlichsten Needs und Sorgen der Patienten.
Im Gespräch mit Experten
Bei langen Interviews und Gesprächen mit Neurologen, Neuroradiologen und Experten für Neurotechnologien konnten wir uns ein ausführlicheres Bild der Anforderungen und aktuellen Probleme und Möglichkeiten mit EEG Hard- und Software machen. Dabei sprachen wir beispielsweise mit Dr. med. Yannic Titgemeyer, der an einem Paper arbeitete, welches sich mit der Frage beschäftigte, ob mobile Consumer-EEGs zur Behandlungsunterstützung verwendet werden könnten: Link zu Research Paper. An dieser Stelle möchten wir uns auch herzlichst für die Offenheit und Zeit die uns Laien von allen Seiten entgegengebracht wurde bedanken!
Die Einsichten aus diesen Interviews halfen uns enorm die Anforderungen der Software zu bestimmen und die Möglichkeiten der Hardware festzulegen. So konnten wir besipielsweise feststellen, dass eine starke Reduzierung der Elektroden möglich ist und unter gewissen Umständen tatsächlich bessere Ergebnisse liefert. Auch passten wir unseren Hardware-Prototypen so an, dass kein (für viele Patienten sehr störendes) Kontaktgel auf den Elektroden mehr nötig ist und die Anbindung deutlich erleichtert. In ausführlichen Interviews mit diversen Experten.
Weitere Recherche
Ein derart komplexes Thema erfordert viel Einarbeitungszeit und Recherche. Von der Prozessanalyse des Vorgangs der Diagnose von neurologischen Erkrankungen bis hin zur Entwicklung diverser Zukunftsszenarien der Telemedizin investierten wir viel Zeit in die Nachforschung. Szenarioentwicklung, Prozessanalyse und die Untersuchung verschiedener EEG-Technologien und Elektrodenarten gehörten auch zur Recherchearbeit.
Entwicklung
Hier erklären wir die Funktionsweise und Entwicklung des Systems.
Funktionsweise
Unser Konzept sieht die Software und Hardware als Teil eines ganzen Systems. Der Patient bekommt nach seiner Diagnose von seinem behandelnden Arzt einen Zugangscode für die Software sowie die dazugehörige EEG-Hardware ausgeliehen.
Das System
Zusammenspiel aus Hard- und Software
Das EEG Headset schickt die aufgezeichneten Daten direkt an die Applikation, mit der die EEG-Aufnahme gestartet wurde – entweder die Desktop oder Smartphone Applikation. Diese senden die Daten in die Cloud, von wo aus der behandelnde Arzt ebenfalls direkten Zugriff auf alle Daten des Patienten hat. Die Software ist in zwei Bereiche/User aufgeteilt: der Bereich für Patienten und der Bereich für Ärzte, diese sind eng miteinander Verknüpft. Das System ist ein Zusammenspiel aus Hard- und Software.
Mobile EEG Hardware
Consumer EEG Hardware als medizinisches Produkt?
Zusätzlich zur Software entwickelten wir einen Prototypen des mobilen EEG. Dieser kann ohne Fachwissen von jedem Patienten selbst daheim angebracht werden. Durch seine Form werden die 8 Elektroden an den Bügeln und an der Stirn beim anbringen an den Kopf gedrückt – hierdurch lässt sich der Einsatz von störendem Kontaktgel vermeiden. Das Headset wird über Knopfdruck an- und ausgeschaltet, anschließend über Bluetooth mit dem Computer oder Smartphone des Anwenders verbunden. In der Applikation findet der Anwender eine Anleitung zum richtigen Anbringen des Headsets und kann die Verbindungsqualität und Positionierung der Elektroden überprüfen. Das mobile Bridge EEG Headset.
Software-Komponente erklärt
Patienten Dashboard
Der Patient landet nach einem kurzen Onboarding, wobei wir die neu eingeführte elektronische Patientenakte (ePA) mit einbeziehen, direkt auf seinem persönlichen Dashboard. Der Aufbau der Anwendung folgt der Blickrichtung von oben nach unten:
Taskbar
Ganz oben finden wir die Taskbar, über die der Anwender zwischen den Hauptpunkten Dashboard, Analyse, einer Anleitung sowie seinem Profil wechseln kann. Ganz rechts in der Taskbar findet der Nutzer ein Menü um die Verbindung mit dem Headset sowie seine neuesten Notifications zu überprüfen.
Kalender
Unter der Taskbar liegt der Kalender. Beim Starten der Applikation landet man immer direkt auf dem aktuellsten Tag. Der Nutzer kann die Leiste des Kalenders draggen um einen neuen Kalendertag in den selected Slot zu ziehen oder direkt auf einen Tag im Kalender klicken um diesen auszuwählen. Ist ein anderer Tag ausgewählt wechselt der Inhalt unterhalb des Kalenders und zeigt die Inhalte des ausgewählten Tages aus. Diese bestehen aus 3 Teilen: Upcoming, Diary und Recordings. Unter jedem Tag im Kalender zeigen farblich codierte Icons an, welche Elemente wie Aufnahmen, Anfälle oder Notizen an diesem Tag eingetragen wurden.
Bedienung des Kalenders und der Stage Upcoming.
Upcoming - Notes/Tasks/Events
Hier kann der Anwender für den jeweiligen Tag Notizen, abhakbare Aufgaben oder zeitlich befristete Events hinzufügen. Ausserdem werden Notizen/Aufgaben/Events, die der Arzt seinen Patienten an den jeweiligen Tag heftet, hier angezeigt, bspw. eine neue Aufgabe des Arztes: “Nehmen Sie heute bitte eine 30min. Aufnahme mit Webcam-Video auf.” Elemente des Arztes werden Grün dargestellt. Sollten zu viele Elemente in dieser Leiste sein wird diese horizontal Scrollbar. Im Bereich Upcoming können Notizen/Events oder Tasks für den jeweiligen Tag angelegt werden, auch vom Arzt für seine Patienten.
Diary - Epilepsie Tagebuch
Das Epilepsie Tagebuch sollte bestenfalls jeden Tag von seinem Anwender gepflegt werden. Hier wird der Patient von Links nach Rechts durch Cards geführt. Jede Card stellt eine wichtige Frage dar, bspw. die Qualität des Schlafes, vermutete Nebenwirkungen durch Medikamente oder Änderungen in der Diät. Der Nutzer kann aus einer vorgefertigten Liste die Häufigsten auswählen oder über Input Felder innerhalb der Dropdowns eigene Eingaben machen. Nach erfolgreichem Eintrag füllt sich eine blaue Progress Bar unter den Cards bis das Diary komplett ausgefüllt ist, um den Nutzer etwas zum vollständigen ausfüllen des Diaries anzuspornen. Im Bereich Diary können Nutzer zusätzliche, für die Behandlung relevante Daten tracken.
Einträge in das Diary und die Seizure Card.
Seizures - auf Diary Ebene
Ebenfalls auf der Diary Ebene befindet sich die Card für Seizures, hier können Patienten ihre an diesem Tag aufgetretenen epileptischen Anfälle eintragen. Der Patient kann dabei aus Seizure-Presets, welche im Profil angelegt werden können, auswählen oder selbst einen Anfall mit allen dazugehörigen Informationen eintragen. Das Anlegen von Presets wird in den meisten Fällen ausreichen, da die meisten Epileptiker nur unter einer begrenzte Anzahl verschiedener Anfallsarten leiden.
Recordings - EEG-Aufnahmen
Ohne auf dem Dashboard zu scrollen sieht der Anwender zuerst nur die Timeline. Auf dieser lässt sich über Tabs zwischen verschiedenen, an diesem Tag aufgenommenen EEG-Aufnahmen, wechseln. Unterhalb der Tabs werden durch Machine Learning automatisch auffällige Spikes in den Aufnahmen Lila markiert. Diese können mit einem Klick zu einem bestätigten epileptischem Anfall umgewandelt werden. Ausserdem lassen sich hier, sowohl vom Arzt als auch vom Patienten, Kommentare an einen bestimmten Zeitpunkt in der Aufnahme setzen um Bereiche hervorzuheben oder Fragen zu klären. Durch Machine Learning werden Bereiche innerhalb der Timeline ausgegraut, die vermutlich durch Bewegung entstanden sind. Diese Bewegungs-Artefakte können via Click über ein Menü auch deaktiviert werden. Die Wellenlinien der 8 Elektroden werden für jede Aufnahme innerhalb der Timeline zu einer zusammengefasst. Diese zeigt die durchschnittliche Frequenz aller 8 Elektroden an. Über den Play Button kann jede Aufnahme abgespielt werden.
Unterhalb der Timeline befindet sich die Darstellung aller 8 Elektroden-Graphen. Hier können wir auch diverse Einstellungen für die Darstellung der Graphen vornehmen oder das Webcam-Video abspielen, welches mit jeder Aufnahme gemacht werden kann.
Im Bereich Recordings können Nutzer alle ihre Aufnahmen für den ausgewählten Tag einsehen.
Patienten Analysis, Guidance und Profile
Die Analysis und Profile Tabs der Desktop Anwendung.
Über die Taskbar gelangt der Anwender auch auf das Analyse Tab, Guidance Tab oder sein persönliches Profile.
Analysis
Über dieses Tab kann der Patient seine im Dashboard eingetragenen Daten vergleichen, beispielsweise die Auswirkungen verschiedener Medikamente auf die Anzahl seiner Anfälle innerhalb eines bestimmten Zeitraumes oder die Effekte verschiedener Diäten.
Der Analyse Tab in Action.
Guidance
Hier wird dem Anwender erklärt wie er das Headset und die Software richtig verwendet und die Elektroden möglichst gut an seinem Kopf anbringt.
Im Guidance Screen wird dem Anwender erklärt wie er das EEG korrekt anbringen kann.
Profile
Persönliche Informationen sowie Presets von Anfällen werden hier angezeigt. Ausserdem können hier die aktuellen verschriebenen Medikamente eingesehen werden.
Arzt Dashboard
Der Arzt sieht – wie der Patient – direkt nach Start der Applikation eine Liste seiner ausstehenden Events, Tasks und Notizen. Darunter findet er eine Liste seiner Patienten. Mit Klick auf einen Patienten gelangt er auf eine angepasste Version dessen Dashboards und kann dieses ähnlich wie der Patient steuern.
Das Dashboard des Arztes. Mit Klick auf einen seiner Patienten gelangt er auf dessen Dashboard.
Smartphone Applikationen
Wir setzten unseren Fokus aus zeitlichen Gründen auf die Desktop Anwendung, dennoch ist für das Konzept auch eine Smartphone Applikation gedacht. Diese kommt mit abgespeckten Funktionen der Desktop Anwendungen, ermöglicht dafür Dinge wie das ausfüllen des Diaries auch von Unterwegs zu erledigen.
Die Einsicht auf die EEG-Aufnahmen ist in der Smartphone Applikation stärker eingeschränkt als auf dem Desktop. Der Patient erhält über die Smartphone Applikation auch Notifications, die in bspw. daran erinnern Medikamente zu nehmen oder eine geplante EEG-Aufnahme zu machen.
Link zu Framer.js Prototypen
Link zum Prototypen
Braucht etwas Zeit beim laden und funktioniert am besten mit einem stabilen PC über Safari oder Chrome. Known Issues: eingebettetes Font und BackgroundBlur. Wir wünschten, wir könnten ihn auf einer richtigen Ausstellung zeigen.
Vielen Dank für euer Interesse und Durchhaltevermögen, meldet euch bei Fragen oder Anmerkungen gerne in den Kommentaren oder persönlich bei unserem Team :)
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Anonym
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Fabian und Josh
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