KI in Design Futures | Es geht um viel: um unsere Zukunft, um Partizipation und Handlungsfähigkeit. Vier interdisziplinäre Teams zeigen KI-basierte good practice Anwendungen in strategisch relevanten Feldern.
KI in Design Futures
Die gesellschaftliche Debatte über Chancen, Risiken und den Quantensprung von KI hat derart Schwung bekommen, dass sie nun endgültig im breiten gesellschaftlichen Diskurs angekommen ist. Zumal kaum ein Lebensbereich von der Realität, intelligent vernetzte und zunehmend selbstständig verarbeitete, gigantische Datenmengen nutzen zu können, nicht vom Fuß auf den Kopf gestellt wird. Was heißt das konkret? Für gesellschaftliche Kontexte und speziell fürs Design?
Wie gestalten wir unsere zukünftigen Lebenswelten mit und durch KI? Was steckt über das fancy buzzword, das gerne dann fällt, wenn die Lösung eines realen Problems nur angedeutet, fiktionalisiert und ins ungefähre Blaue vertagt werden soll? Geht es nur um ein „one-tick pony”, um Prognosemaschinen und Mustererkennungsautomaten, die die Erwartungen, die in sie gesetzt werden, zugegeben immer brillanter einlösen?
Was bedeutet der Einsatz von KI für uns alle, die gesamte Gesellschaft, deren Organisation? Für so wichtige Bereiche wie die Neuerfindung unseres Umgangs mit Energie und Ressourcen unter klimaverträglicheren Bedingungen, für die Gesundheitsversorgung, für Geschäftsmodelle, Handels-, politische und soziale Beziehungen? Hier bieten sich Ansätze der Mitgestaltung, Chancen zur Konstruktion fairer Teilhabe, um die Trägheit der Vergangenheit zu überwinden und die zahlreichen Probleme, die durch die gegenwärtigen sich überlagernden Krisen offengelegt wurden, mit forciertem Tempo mit anzugehen.
Übertragen auf das Thema des Strategischen Gestaltungsprojekts stellt sich uns die Frage, wie wir als Gestalter dazu beitragen können, diesen gesellschaftlichen Prozess mit zu initiieren, die Solidargemeinschaft zu stärken und jeden Einzelnen, dessen Ängste und Bedürfnisse, aber auch dessen Ressourcen, Beteiligungswillen und -potential einzubinden.
Vier interdisziplinäre Teams entwickelten Strategische Designlösungen, Organisations-, Service- und Handlungsoptionen und zeigen Anwendungsfelder für KI-Technologien in Realszenarien auf.
Prof. Gabriele N. Reichert, Prof. Dr. Susanne Schade
TRAZES - You have been found
Intelligente Technologien versprechen Fortschritt, Alltagserleichterung und Entertainment. Besonders in der jüngeren Vergangenheit haben Tools wie ChatGPT dafür gesorgt, dass Künstliche Intelligenz in allen Gesellschaftsschichten angekommen ist und ein Bewusstsein für die Innovationskraft solcher Technologien bewirkt. Die Komplexität und der Wirkungsgrad des Einsatzes künstlicher Intelligenz sind jedoch undurchsichtig und nicht abschätzbar. Insbesondere die Verarbeitung personenbezogener Daten durch künstliche Intelligenz wirft Fragen auf.
Wie funktionieren Technologien dieser Art? Welchen Einfluss haben sie auf Individuen?
Und vor allem: Welche Risiken gehen von ihnen aus?
Wir sind »TRAZES«.
»TRAZES« setzt sich mit der Frage auseinander, wie im Zeitalter von datenerfassenden und -verarbeitenden Algorithmen das Bewusstsein und Verhalten für Datenschutz und Privatsphäre gezielt gestärkt werden kann.
Vor diesem Hintergrund entstand die Idee eines digitalen Menschen: Eine virtuelle Kopie eines Individuums, erstellt aus Daten, die von verschiedenen Algorithmen gesammelt werden. Diese Kopie enthält alle Charaktereigenschaften und persönlichsten Daten, oft auch solche, die dem Individuum selbst nicht bewusst sind. Ziel dieses Projekts ist es, ein Bewusstsein für die Datensammlung und -nutzung zu schaffen und zu einem sorgfältigeren Umgang mit digitalen Diensten anzuregen. Der digitale Mensch dient als Spiegelbild der eigenen digitalen Identität und als Mahnung, die eigenen Datenspuren kritisch zu hinterfragen.
»TRAZES«, eine mehrschichtig angelegte Aufklärungskampagne, regt zum Nachdenken und Umdenken an und zeigt auf, wohin unbewusstes Handeln mit persönlichen Daten in Zukunft führen kann.
Forschung
Die Einschätzungen zu den Auswirkungen unseres digitalen Verhaltens basieren auf der Durchführung eines Laborexperiments. Dabei wurde folgende Forschungsfrage untersucht:
Welchen Einfluss haben unterschiedliche Nutzungsaktivitäten und personenbezogene Daten auf die Fähigkeit von künstlicher Intelligenz (KI) zur Interpretation der Identität der Nutzenden?
In einem wissenschaftlichen Experiment wurde der Instagram-Reelfeed in einer kontrollierten Laborumgebung analysiert. In dieser Umgebung konnten verschiedene Faktoren getestet und manipuliert werden, um die Funktionsweise des Instagram-Algorithmus besser zu verstehen. Durch die Festlegung bestimmter Bedingungen, wie die Interaktion mit bestimmten Inhalten und das Posten bestimmter Beiträge, konnte beobachtet werden, wie der Algorithmus darauf reagiert und welche Auswirkungen dies auf den angezeigten Reelfeed hat. Die Ergebnisse des Experiments mit drei verschiedenen Verhaltensmustern, Normalo-User, Influencer und Roboter zeigen, dass Nutzer:innen durch ihr individuelles Verhalten den Instagram Reelfeed deutlich beeinflussen können. Insbesondere die Interaktion mit bestimmten Inhalten, hier zum Beispiel im Bereich “Reisen”, führte dazu, dass der Algorithmus vermehrt Inhalte zu diesem Thema im Feed der Nutzer:innen präsentierte. Diese Beobachtungen bestätigen, dass nicht nur der Instagram-Algorithmus, sondern wahrscheinlich auch andere ähnliche Algorithmen in der Lage sind, eine Art “digitale Persönlichkeit” der Nutzer:innen zu entwickeln. Die Algorithmen lernen kontinuierlich aus dem Nutzerverhalten und passen den Feed entsprechend an, um eine personalisierte und relevante User Experience zu bieten.
Strategie
Schockieren – Aufklären – Aufzeigen
»TRAZES« ist gezielt dort präsent, wo Menschen ihre digitalen Spuren hinterlassen und Unternehmen diese ausnutzen.
Über die drei Kontaktpunkte Plakatreihe, Gewinnspiel und Social Media werden die Inhalte an die Zielgruppe gebracht. Allesamt führen zu einem Aufklärungsvideo. Hier wird mit den drei Bereichen Schockieren – Aufklären – Aufzeigen und dystopischen Elementen gespielt. Den Nutzer:innen wird bewusst gemacht, wie schnell sie bereit sind, persönliche Daten preiszugeben und welche Daten sich ihrer Kontrolle entziehen.
Daten sind ein Geschäft. Daten sind kostbar. Daten gehören geschützt.
Gestaltung
Plakat
Die Plakatreihe wird an Orten des öffentlichen Lebens wie Bahnhöfen und Marktplätzen platziert, um die Zielgruppe dort zu erreichen, wo sie sich mit ihren mobilen Endgeräten aufhält. Dadurch kann ein Bezug zum individuellen Verhalten hergestellt werden.
Plakat 1: “Deine Daten, deine Kontrolle”
Das Plakat illustriert den Übergang vom physischen Ich in die digitale Welt. Es zeigt durch transparente Posts die zunehmende Verzerrung zwischen der physischen und digitalen Realität auf und verdeutlicht, dass aktiv dazu beigetragen wird Daten zu hinterlassen. Es stellt die Frage, wie viel Wert wir unseren Daten wirklich beimessen, sei es durch unbewusst hinterlassene Spuren oder das bewusste Teilen von Inhalten.
Plakat 2: “You have been found”
Dieses Plakat geht einen Schritt weiter und illustriert, wie viele Rückschlüsse auf unsere Persönlichkeit mittels Metadaten gezogen werden können. Es wird verdeutlicht, dass in der digitalen Welt Spuren hinterlassen werden, die mehr über uns aussagen, als wir vielleicht vermuten. Das Plakat regt dazu an, darüber nachzudenken, wie verantwortungsbewusst wir mit unseren Daten umgehen.
Plakat 3: “Wir sind eins”
Wie das erste Plakat visualisiert auch dieses Plakat den digitalen Schatten, den wir mit unseren Daten erzeugen. Es erinnert uns daran, dass unsere digitale Präsenz nicht isoliert existiert, sondern eine nahtlose Verbindung zu unserem physischen Selbst bildet
Der Fokus liegt in der gesamten Plakatreihe auf dem Gesicht der dargestellten Personen, um ihre Persönlichkeit und Identität zu untermauern. Zudem bieten die Gesichter eine emotionale Identifikationsmöglichkeit.
Social Media Account
Der »TRAZES« Social-Media-Account wird zu einem zentralen Hub für die digitale Aufklärungskampagne. Hier wird aktiv mit der Community interagiert, Feedback gesammelt und Diskussionen über Datenschutz, Datensicherheit und Privatsphäre gefördert.
Interaktives soziales Experiment
Durch den Einsatz von Stickern mit QR-Codes im öffentlichen Raum wird die Zielgruppe zu einem sozialen Experiment verleitet. Dabei nimmt »TRAZES« bewusst die Rolle eines Datenerfassers ein. Unter dem Deckmantel eines Gewinnspiels fordert »TRAZES« die Nutzer:innen dazu auf, immer mehr persönliche Daten preiszugeben, um ihre Gewinnchancen zu erhöhen. Neben den Informationen, die die Nutzer:innen freiwillig über Eingabefelder preisgeben, werden auch Metadaten wie Geräteinformationen, IP-Adresse und Standort erfasst.
Kommentare
Max Mustermann
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