In diesem Kurs explorieren Studierende mit den Mitteln des Design mögliche, wahrscheinliche und wünschenswerte Zukünfte des Gesundheitswesens und erweitern den nutzerzentrierten Design-Ansatz um Methoden aus der Zukunftsforschung.
Die COVID-Pandemie hat viele Aspekte unseres Alltags verändert und zu teils hitzigen Diskussionen über die Gesundheitsversorgung geführt - ob in der Politik, in der Öffentlichkeit oder am familiären Frühstückstisch. Nach zwei Jahren Pandemie, befindet sich unsere Gesellschaft im Übergang zu einem neuen Normalzustand. Der richtige Zeitpunkt um über die Zeit nach der Pandemie - eine endemische Zukunft - zu reflektieren.
In diesem Kurs geht es um die Auseinandersetzung mit “Design Futuring”. In diesem neuen Wirkungsfeld der strategischen Gestaltung erweitern wir Design von einem rein nutzerzentrierten Ansatz zu einem zukunftsorientierten Ansatz, um zu erforschen, welche Zukünfte möglich und welche wünschenswert sind. Unter dem zentralen Thema “Design for Care - Imagining futures of health care in communities and society” entstanden Projekte, die die Zukunft des Gesundheitswesens in der Gesellschaft innovieren, spekulieren oder kritisieren. Zum Beispiel durch Ideen für neue Objekte/Produkte/Werkzeuge/Dienstleistungen, durch Szenarien gänzlich neuer technologischer Möglichkeiten oder die bewusste Anregungen einer positiven/negativen Debatte über mögliche Konsequenzen unseres heutigen Handelns. Dies wurde durch unterschiedliche gestalterische Ausdrucksformen realisiert wie z. B. Video und Fotografie von (zukünftigen) Artefakten, Produkten, Dienstleistungen, Prototypen, Visualisierungen, Demonstratoren bis hin zu faszinierenden interaktiven Erfahrungen.
Das Projekt entstand in Kooperation mit der BARMER Ersatzkasse.
“Weißt du noch, damals?” Das Erinnern an vergangene Momente ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens. Regelmäßig schwelgen wir in Erinnerungen und erfreuen uns an ihnen. Denn das Erinnern an schöne Zeiten steigert unsere Lebensfreude und letztendlich die Lebensqualität. Sie bilden eine Brücke zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit.
Doch manchmal kommt es vor, dass Erinnerungen komplett schwinden, uns alltägliche Dinge auf einmal unmöglich machbar vorkommen oder wir uns nicht mehr ausdrücken können. – Es handelt sich um Demenz, ein Krankheitsbild, das uns alle treffen könnte.
Im Rahmen dieses Semesterprojekts wurde ein medizinisches Hilfsmittel für Menschen, die unter demenziellen Erkrankungen leiden, konzipiert. Hier verflechten sich medizinisches Fachwissen und Design miteinander und verschaffen eine Vorstellung davon, wie zukünftig der Verlauf einer Demenzerkrankung mit Hilfe der Digitalisierung aussehen könnte und wie ein selbstbestimmtes Trainieren auch im fortgeschrittenen Stadium gewährleistet werden kann.
Einstieg
Jährlich erkranken in Deutschland im Durchschnitt 300.000 Menschen an Demenz. Derzeit leben in Deutschland ca. 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Dabei soll diese Zahl bis 2050 auf 2,7 Millionen ansteigen. Einer der wesentlichen Gründe für die steigende Zahl ist das deutlich höhere Lebensalter der Menschen aufgrund besserer Lebensbedingungen.
Heilbar ist die Krankheit bislang nicht. Es gibt zwar Medikamente, die darauf abzielen, die Symptome der Krankheit zu lindern bzw. ihr Fortschreiten zu verzögern, allerdings können die eingesetzten Medikamente mitunter sehr schwere Nebenwirkungen mit sich bringen. Alternativ gibt es eine Vielzahl an Nicht-Medikamentöser Behandlungsformen. Generell dienen diese Therapien dazu, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Erkrankten zu erhalten oder zu steigern. Hier sieht man vor allem in der Ergotherapie, der Musiktherapie und der Biografiearbeit Potenzial.
Ein großes Potenzial sehen wir außerdem in der Digitalisierung und dem Aufbau der elektronischen Patientenakte. Diese neuen Ansätze ermöglichen es, die Symptome einer Demenz in Zukunft frühzeitig zu erkennen und entsprechend entgegen zu wirken.
Vision Wir sind Myosotis und wir glauben, dass es zukünftig immer wichtiger wird, die Symptome der Demenz frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um den Patienten möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Konzept
Der Vision folgt ein ganzheitliches Konzept, das eine umfassende Unterstützung der Betroffenen vorsieht. Hierfür haben wir uns den digitalen Fortschritt und die Etablierung der elektronischen Patientenakte zunutze gemacht und verschiedene nicht-medikamentöse Behandlungsformen kombiniert, um die Aussicht auf ein individualisiertes und selbstbestimmtes Erinnern und Trainieren zu ermöglichen.
Dieses Konzept greift bereits vor Eintritt der ersten Krankheitssymptome und unterstützt und begleitet den Patienten aktiv während des gesamten Krankheitsverlaufes.
Zeitgleich mit der ärztlichen Frühdiagnose der zukünftigen Demenz wird ein Rezept ausgestellt, mit dem der Patient die Möglichkeit hat, unsere individuelle Behandlung in Anspruch zu nehmen.
Die Behandlung setzt sich aus den folgenden Kernpunkten zusammen:
Beratung
Bei der Demenz handelt es sich um ein Krankheitsbild, über das sich Menschen häufig erst dann informieren, wenn sie selbst davon betroffen sind. Um die Übersicht zu bewahren und die Informationsgewinnung zu erleichtern, bieten wir mit unserer Beratung eine erste Anlaufstelle für Angehörige und Patienten. In Einzel- oder Gruppengesprächen können sich die Betroffenen beispielsweise über den Verlauf der Krankheit oder Möglichkeiten der Therapie informieren.
Aufarbeitung
Eine frühzeitige und umfangreiche Biografiearbeit soll einen essentiellen Teil unseres Konzeptes darstellen. Aus diesem Grund haben wir die Aufarbeitung von vergangenen Erinnerungen mit in das Konzept aufgenommen.
Die Erinnerungen werden mit Hilfe von Therapeuten erarbeitet und dokumentiert. Wichtig ist hierbei, dass sowohl positive als auch negative Erinnerungen aufgearbeitet werden, da vor allem die negativen Erinnerungen im späteren Krankheitsstadium eine wichtige Auskunft über mögliche Verhaltensauffälligkeiten geben können. Die gesammelten und relevanten Kern Erinnerungen werden anschließend in smarte symbolische Figuren eingearbeitet. Diese werden für die spätere Verwendung der Erinnerungsbox benötigt.
Training
Mithilfe von personalisierten Übungen werden kognitive und mentale Fähigkeiten gefördert, um den Krankheitsverlauf zu verzögern.
Artefakte
Das Herzstück unseres Konzepts bildet eine smarte Biografiebox und ein dazugehöriger intelligenter Emotionsring.
Erinnerungsbox
Die Box steht für eine neue Form der Biografiearbeit.
Sie ermöglicht es den Patienten, vergangene Erinnerungen neu zu erleben. Dabei kann der Patient selbstständig auswählen, mit welchen Momenten und Emotionen er die Box füllen will – also an was er sich später erinnern möchte, wenn die eigenen Erinnerungen verschwinden.
Mit dem Platzieren einer Figur auf die Erinnerungsbox erwacht diese zum Leben. Die symbolischen Figuren können entweder in einem Workshop erstellt oder über unsere Website bestellt werden.
Figur wird in der vorgesehenen Mulde platziert.Beispielhafte Figuren
Um die Interaktion und das Erinnern so immersiv und multisensorisch wie möglich zu gestalten, ist die Box mit verschiedenen Technologien ausgestattet.
Übersicht Box
Diese umfassen einen Tischbeamer und Lautsprecher, die genutzt werden können, um persönliche Videos, Fotos oder die eigenen Lieblingslieder wiederzugeben.
Wiedergabe von persönlichem Video
Die projizierte Oberfläche des Beamers ist außerdem touchsensibel. Auf diese Weise lässt sich die Tischoberfläche in ein interaktives Display verwandeln, welches für ein individualisiertes Gedächtnistraining oder gemeinsame Spieleabende mit den Angehörigen genutzt werden kann.
Tisch wird zum Spielbrett und Erinnerungsfiguren zu Spielfiguren umfunktioniert
Eine smarte Ambientebeleuchtung erzeugt bei der Medienwiedergabe eine angenehme Stimmung und unterstützt so das Erinnern. Außerdem kann die Beleuchtung den Patienten helfen, sich zu entspannen. Viele Erinnerungen werden aber nicht durch Bilder, sondern durch Gerüche zum Leben erweckt. Deshalb enthält die Box zusätzlich einen Diffuser. Mit Hilfe verschiedener Duftkartuschen können so ganzheitliche Erlebniswelten kreiert werden.
Ambientebeleuchtung mit Duftdiffuser
Die Oberfläche, auf der die Figuren platziert werden, kann außerdem verschiedene haptische Feedbacks simulieren. So kann sie beispielsweise für motorische Trainingszwecke genutzt werden oder das Erinnern durch die Ergänzung haptischer Sinneseindrücke immersiver gestalten.
Intelligente Oberfläche
Das Ziel dieser Ausstattung ist es den Patienten durch multisensorische Sinnesanregungen die Möglichkeit zu geben, selbstständig zu trainieren und das Erinnern zu fördern.
Ringe
Die Erinnerungsbox wird durch einen smarten Emotionsring ergänzt.
Dabei handelt es sich um ein Wearable, das sowohl den Patienten als auch die Angehörigen im Verlauf der Krankheit unterstützen soll.
Demenzpatienten durchleben oft täglich unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome.
Es gibt Phasen, an den die Erinnerungen der Patienten klarer sind. An anderen Tagen sind die Erinnerungen plötzlich verschwommen und die Demenzerkrankten fühlen sich unsicher. Manchmal werden die Patienten plötzlich depressiv oder auch aggressiv.
Diese Stimmungsschwankungen machen es vor allem für ungeschulte Menschen extrem schwierig, stets richtig mit dem Patienten umzugehen.
Übersicht Ring
Funktion
Der Emotionsring kann die Gefühlslage des Trägers messen und in Echtzeit visualisieren. Abhängig vom emotionalen Zustand des Patienten verändert er die Farbe und visualisiert so für Außenstehende, wie man sich in der jeweiligen Situation verhalten soll. Außerdem ermöglicht der Ring, verschiedene Verhaltensweisen und Reaktionen des Patienten besser nachzuvollziehen.
Wird der Ring getragen, sammelt er darüber hinaus beispielsweise per GPS Messdaten, die für Ärzte Rückschlüsse auf den Verlauf der Krankheit aufzeigen können. Dies ermöglicht ein frühzeitiges Handeln und Eingreifen in die jeweiligen Behandlungsmethoden.
Persönliche Trainingserfolge werden ebenfalls visualisiert und fördern die Motivation des Demenzerkrankten.
Visualisierung der Gefühlslage
Zusammenhalt
Neben dem smarten Emotionsring erhält der Patient zwei zusätzliche Ringe. Diese können gezielt an zwei Angehörige ausgehändigt werden. Hierbei handelt es sich um eine symbolische Handlung, mit der der Patient eine Art unausgesprochene Patientenverfügung ausdrückt.
Oft machen sich Patienten viel zu lange keine Gedanken darüber, wer sie auf dem letzten Weg ihrer Krankheit begleiten soll. Die zu vergebenden Ringe sollen den Patienten bei dieser Entscheidung unterstützen und gleichzeitig den Zusammenhalt zwischen Angehörigen und Patienten stärken. Als Ringträger haben die Angehörigen außerdem die Möglichkeit, die von Ring und Box gesammelten Daten des Demenzerkrankten zu überprüfen und Push-up Nachrichten zu senden. Die Ringe werden gleichzeitig mit der Box ausgehändigt.