Wir befinden uns in wirtschaftlich und gesellschaftlich turbulenten Zeiten, in denen viele Unternehmen oder Branchen vor der Herausforderung stehen, sich für die digitale Plattformökonomie neu zu erfinden. Der Druck, innovativ zu sein, hat viele Unternehmen dazu veranlasst, in Innovationslabore zu investieren, Design-Thinking-Methoden zu implementieren oder regelmäßige Hackathons zu veranstalten. Doch die Wirkung all dieser Maßnahmen bleibt in den meisten Fällen “Innovationstheater”. Warum ist es so schwer, die Kultur und Praktiken des Silicon Valley in Deutschland zu reproduzieren? Sollten wir überhaupt dorthin blicken? Welchen Einfluss haben die Kultur, Prozesse und Strukturen eines Unternehmens, darauf ob innovative Ideen es auf den Markt schaffen oder tot diskutiert werden, bevor sie überhaupt auf den Markt kommen?
In diesem Kurs setzen sich die Studierenden damit auseinander welchen Einfluss die Organisation (also die Gestalt des Unternehmens) darauf hat wie Ideen generiert werden, aber auch - was noch wichtiger ist - wie sie während des Testens, der Entscheidungsfindung und der Implementierung geschützt werden. Wie können Organisationen so gestaltet werden, dass sie große Innovationen hervorbringen, aber auch Raum für kleine, alltägliche Ideen lassen?
Zu diesen Themen haben Studierende in Gruppen eigene Forschungsfragen und Hypothesen formuliert, Experteninterviews durchgeführt und erst Lösungskonzepte entworfen. Die Ergebnisse finden sich in Form von kurzen Essays oder Konzeptskizzen.
Vielen Dank den Experten aus der Praxis, die uns als Interviewpartner zur Verfügung standen! In der Dokumentation der Gruppenarbeiten haben wir aus Vertraulichkeitsgründen alle Namen der Interviewpartner durch fiktive Namen ersetzt.
Themenfindung
Im Rahmen des Kurses Organizational Design haben wir uns mit der Frage befasst, wie Unternehmensstrukturen gestaltet werden können, um große Innovationen zu fördern, ohne jedoch dabei den Raum für kleine, alltägliche Ideen zu verdrängen.
In der ersten Phase des Projekts widmeten wir uns der Eingrenzung und Auswahl möglicher Themengebiete und der zu bewertenden Gegenstände. Im Fokus unserer Betrachtung standen dabei zum einen das Team und dessen Zusammensetzung und zum anderen der Innovationsprozess bzw. die Idee selbst. Da die beiden Themen sehr eng miteinander verknüpft sind, betrachteten wir sie zunächst aus verschiedenen Blickwinkeln und entwickelten in einer kurzen Recherche relevante Fragestellungen.
Unsere Themenfelder
Mit der Entscheidung für das Themengebiet “Beurteilung von Ideen im Innovationsprozess” identifizierten wir drei Kategorien, in denen potenziell unterschiedliche Probleme auftauchen können.
Ideenfindung
Evaluation
Umsetzung
Da gerade in großen Unternehmen viele Menschen mit- und nebeneinander arbeiten, haben wir uns gefragt, wie Ideen im Arbeitsalltag Gehör finden können, wer diese beurteilt, ob dies objektiv oder subjektiv stattfinden muss und kann oder wie solche Ideen strukturiert werden können, ohne dass sie verloren gehen.
Forschungsfrage
Im nächsten Schritt ging es darum, aus den gewonnenen Erkenntnissen eine Forschungsfrage zu entwickeln. Besonders wichtig empfanden wir dabei die Objektivität in der Bewertung und Umsetzung von Ideen bzw. die Gleichberechtigung von Ideen. Resultierend hieraus gelangten wir zu folgender Forschungsfrage:
Wie kann sichergestellt werden, dass bei der Bewertung und Umsetzung von innovativen Ideen objektiv gehandelt wird?
Um unsere Fragestellung beantworten zu können, formulierten wir weitere Unterfragen, die anschließend zur Leitfadenerstellung der Experteninterviews verwendet wurden.
Interviewpartner
Bevor wir mit den erarbeiteten Interviewfragen ins Gespräch gingen, verschafften wir uns noch ein Bild über den jeweiligen beruflichen Hintergrund unserer Interviewpartner:innen. Dadurch war es uns möglich, die Fragen noch individueller auf die Personen zuzuschneiden und gezielt auf Themen einzugehen, die uns bei der Beantwortung unserer Forschungsfrage helfen.
Unsere Interviewpartner. Bilder entnommen von unsplash.com
Interviewfragen
So wurden einerseits Fragen erstellt, die mehreren Interviewpartner:innen gestellt wurden, um einen Vergleich ziehen zu können und andererseits auch Fragen, die sich auf das individuelle Expertenwissen einzelner Interviewpartner:innen bezogen. In einem Auswahlprozess legten wir uns auf folgende Interviewfragen fest:
Wie sieht der Innovationsprozess “von der Idee zum Markt” in Ihrem Unternehmen konkret aus? Welche verschiedenen Stufen gibt es?
Haben Sie bereits Erfahrung damit gemacht, dass Ideen verschiedener Personen (in unterschiedlichen Positionen) anders gewichtet wurden?
Wie stellt man fest, dass die Person, die über die Auswahl von Ideen entscheidet, objektiv handelt? Muss der Auswahlprozess überhaupt objektiv stattfinden?
Gibt es bei der Auswahl von Ideen fixe Kriterien, welche von allen Teilnehmer:innen des Prozesses eingesehen werden können?
Oft kommen Ideen in einer Firma aus unterschiedlichen Richtungen und von verschiedenen Personen. Wie geht man damit um, wenn eine Person fehlende Expertise in anderen Bereichen hat?
Gibt es spezielle Bereiche in einem Unternehmen, in denen Ideen gesammelt werden können (vgl. Ideenkühlschrank, Miroboard, Intranet…)? Wenn ja, gibt es feste vorgeschriebene Formen, in denen eine Idee präsentiert werden muss oder bleibt dies immer dem/der Ideensteller:in überlassen?
Wir haben uns bereits mit dem Stage Gate Prozess auseinandergesetzt, bei dem eine Idee stufenweise im Auswahlprozess weiterentwickelt wird. Haben Sie Erfahrungen mit weiteren Methoden oder Prozessen, die die Ideenauswahl vereinfachen?
Besteht für Mitarbeiter:innen außerhalb des Projektteams die Möglichkeit, Ideen mit einzubringen? Wenn ja, in welcher Phase ist das möglich?
Oft tauchen Ideen auf, welche nicht berücksichtigt werden können und deshalb zurückgestellt werden. Wie kann man sicherstellen, dass diese nicht verloren gehen?
Wie berücksichtigt man die Meinung von Kund:innen bei der Auswahl von Ideen? Kann es sinnvoll sein, die Kund:innen direkt mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen oder sollte man diesen eher keine Ideen, sondern nur Ergebnisse zeigen?
Interviewauswertung
Nach insgesamt sechs Interviews mit Experten aus verschiedenen Bereichen hatten wir eine Vielzahl an Antworten bekommen, die wir im Anschluss in einem Miroboard sammelten.
Antworten auf Interviewfragen
Um aus den unterschiedlichen Antworten Schlüsse ziehen zu können, haben wir die Antworten anschließend nach Themengruppen sortiert und die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst.
Auswertung der Interviewfragen
Erkenntnisse
Bereits während den Interviews deutete sich an, dass die zu Beginn formulierte Forschungsfrage und die damit verbundene Problemstellung nicht die vermutete Relevanz besaß. Vielmehr kristallisierte sich heraus, dass es nicht entscheidend ist, anhand welcher Kriterien eine Idee oder Innovation bewertet wird, sondern in welcher Form sie vorbereitet und präsentiert wird. Dies spiegelte sich ebenfalls in der Auswertung der Antworten wieder.
Unsere interessantesten Erkenntnisse aus den Interviews lassen sich in vier Punkte zusammenfassen:
Ob eine Idee angenommen oder abgelehnt wird, ist von verschiedenen strukturellen Faktoren abhängig. Dazu zählen Ressourcen, Firmenpolitik und auch das benötigte Budget.
Entscheidend ist, wie eine Idee in einem Unternehmen präsentiert wird. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Idee bei ihrer Präsentation schon einen gewissen Reifegrad besitzt. Dieser muss vorher definiert und sichergestellt werden. Dazu kann es hilfreich sein, seine Idee erst intern mit anderen Personen im Team zu besprechen, um Begeisterung zu schaffen und so erste Anhänger dafür zu finden.
In Unternehmen besteht häufig der Wunsch, dass auch Personen, die nicht direkt an einem Projekt beteiligt sind, Ideen vortragen dürfen. Dafür ist es jedoch wichtig, dass es ein definiertes Format und einen definierten Ort (digital oder physisch) gibt, an dem diese Ideen präsentiert werden können.
Möchte man eine Idee im Unternehmen unterbringen, so ist die eigene Mentalität ein wichtiges Werkzeug. Man muss hinter seiner Idee stehen und diese bei Bedarf verteidigen. Auch hier kann ein fortgeschrittener Reifegrad von Vorteil sein.
Resümee
Aus diesem Kurs nehmen wir viele neue Anregungen und Denkanstöße für unseren späteren Berufsalltag, aber auch für das Studium mit. Vor allem haben wir im Laufe des Projekts viel darüber gelernt, wie man eine Idee in einem unternehmerischen Kontext am besten präsentiert und auf was es bei der Bewertung dieser Idee anschließend ankommt. Mit unseren Erkenntnissen wollen wir eine Hilfestellung für die Personen bieten, die selbst regelmäßig viele tolle Ideen haben, jedoch nicht wissen, wie sie andere davon überzeugen und sie erfolgreich umsetzen können.
Wir hoffen deshalb, dass unser Beitrag Menschen dazu ermutigt, für ihre Ideen zu kämpfen, damit diese auch umgesetzt werden.
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