In Invention Design skizzieren wir neue Produkte und Werkzeuge mit einer stark in die Zukunft gerichteten Perspektive. Neue technische Entwicklungen werden kritisch bewertet, um forschend-experimentell sinnvolle Anwendungen zu entwickeln.
Bei der digitalen Angsttherapie handelt es sich um eine digitale Anwendung mittels VR-Technologie, die Personen mit Ängsten und Phobien gezielt unterstützt. Dabei soll die Anwendung nicht nur eine effektive Konfrontationstherapie ermöglichen, sondern auch den Austausch zwischen Patient und Therapeut erleichtern.
Research
Interviews
Betroffene
Zu Beginn unseres Projektes haben wir intensive Gespräche mit Betroffenen geführt, die mit verschiedenen Ängsten, wie beispielsweise Spinnenphobie, Höhenangst und Klaustrophobie, konfrontiert sind. Diese Interviews haben uns vielfältige Erkenntnisse verschafft. Die Symptome der Betroffenen variierten erheblich – von Ohnmachtsanfällen, Muskelverkrampfungen, Nägelkauen, Nervosität und Verspannungen bis hin zu Schreien oder Weinen.
Die von den Betroffenen angewandten Beruhigungsmethoden in solchen Situationen reichten von tiefem Einatmen über Meditationstechniken bis hin zur Ablenkung durch andere Aktivitäten. Diese Ängste haben einen so weitreichenden Einfluss, dass sie die Betroffenen erheblich beeinträchtigen und sogar dazu zwingen, auf alltägliche Dinge zu verzichten.
Darüber hinaus äußerten die Betroffenen den Wunsch nach mehr Verständnis und Ernstnahme seitens ihres sozialen Umfelds. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, nicht nur die individuellen Herausforderungen zu verstehen, sondern auch das Bewusstsein für die Belange der Betroffenen in der Gemeinschaft zu schärfen.
Experten
Im anschließenden Schritt führten wir mehrere Experteninterviews mit dem Heilpraktiker und Osteopathen Pavlos Mentis durch, die äußerst aufschlussreich und bereichernd waren. Er erläuterte, dass die Ursprünge von Ängsten auf vergangene Erlebnisse zurückzuführen sind. Des Weiteren teilte er die Erkenntnis, dass beispielsweise Höhenangst sich bereits im Grundschulalter oder zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr entwickelt.
Anschließend vertiefte er sich in die präzise Entstehung von Traumata. Dabei verdeutlichte er, dass ein Trauma zunächst ausgelöst wird und daraufhin Flashbacks Erinnerungen an die jeweilige Situation hervorrufen, wodurch Ängste entstehen. Um das Trauma erfolgreich zu behandeln, muss der Therapeut in einen Trancezustand versetzt werden, um Zugang zum Unterbewusstsein des Patienten zu erhalten. Hierbei betonte er, dass es entscheidend ist, dass der Patient versteht, dass er sich selbst therapiert – nicht der Therapeut den Patienten. Die Unabhängigkeit des Patienten spielt dabei eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg.
Des Weiteren betonte Mentis, dass ein Trauma nur dann gelöst werden kann, wenn das logische Denken des Patienten aktiviert wird. Eine essenzielle Komponente der Therapie besteht darin, Negatives in Positives umzuwandeln, um eine Umkonditionierung zu ermöglichen. Darüber hinaus ermutigte er die Patienten dazu, ihr persönliches Angstniveau eigenständig einzuschätzen und somit bewusst zu reflektieren.
Umsetzung
Therapieverlauf
Um den gesamten Therapieprozess besser zu erfassen und zu veranschaulichen, haben wir einen sogenannten Angstkreislauf skizziert. In diesem Kreislauf entstehen aus einer gegebenen Situation zunächst Gedanken, denen im Anschluss Gefühle folgen. Diese Gefühle manifestieren sich weiterhin in körperliche Reaktionen, welche wiederum zu einem bestimmten Verhalten führen.
Im Rahmen der Angsttherapie mit der VR-Brille konfrontiert sich der Patient direkt mit seiner Angst. Im nächsten Schritt tritt die Angstbewältigung ein, durch die Anwendung von Techniken wie autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung. Nun erfolgt eine Umstrukturierung der Gedanken, was zur Überwindung der Angst führt. Dieser Prozess wird wiederholt, bis das Trauma erfolgreich bewältigt ist.
Wireframes
Nachdem wir den Therapieverlauf definiert haben, setzen wir uns mit der Umsetzung auseinander. Wir nutzen die “Crazy 8”-Methode, um Ideen zu sammeln wie wir die Inhalte visualisieren könnten. Anschließend setzten wir diese Ideen in Wireframes um wo wir die Inhalte strukturieren und visualisieren. Unsere Konzeptidee umfasst sechs zentrale Elemente, die wir in unsere App integriert haben. Hierzu zählt die Option, Therapiesitzungen und diverse Übungen zu dokumentieren. Des Weiteren ermöglicht die App das Verfassen von Tagebucheinträgen und die Möglichkeit, für die Nutzer, einen umfassenden Überblick über ihren Therapieverlauf zu erhalten. Schließlich bieten wir die Möglichkeit, Artikel von anderen Betroffenen zu lesen und eine Integration von seiner Apple Watch.
Designvarianten
Vor der Festlegung auf das endgültige Design haben wir eine Vielzahl von Designvarianten durchdacht und unterschiedliche Typografien sowie Farbkombinationen ausprobiert. Rasch wurde deutlich, dass für uns Seriosität und Vertrauen von hoher Bedeutung sind. Aus diesem Grund haben wir uns letztendlich für die Farben Blau-Grün und Orange entschieden.
Resultat
Design System
Für unsere finale Ausgestaltung der App haben wir ein Designsystem angelegt. Die ausgewählten Farben bewirken das die App einen seriösen und auch vertrauenwürdigen Eindruck macht. Wir haben serifenlose Schriften für einen modernen Charakter gewählt und eine klare Hierarchie mit den Schriftgrößen definiert. Die ausgewählten Icons fügen sich durch ihre abgerundeten Ecken und der gleichmäßigen Strichstärke gut in das Design ein. Um dafür zu sorgen das die App persönlicher wirkt haben wir Illustrationen gestaltet die Patiententen optimal unterstützen sollen.
Technische Umsetzung
Um die Funktionalität der App zu realisieren, haben wir eine innovative VR-Lösung entwickelt. Sobald der Nutzer die VR-Brille aufsetzt, wird er in ein Blender-Modell versetzt, das es ihm ermöglicht, sich frei darin zu bewegen und umzusehen. Diese Interaktivität ermöglicht es den Patient*innen, das persönliches Komfortniveau zu bestimmen und zu entscheiden, wie viel man sich zutraut. Unser Ziel ist es, eine Vielzahl von verschiedenen 3D-Modellen anzubieten, die individuell auf die Bedürfnisse jedes Patienten zugeschnitten sind. Diese Modelle werden zu Beginn der Therapie zusammen mit dem Therapeuten ausgewählt, um sicherzustellen, dass sie den spezifischen Ängsten und Herausforderungen des Patienten entsprechen. Darüber hinaus ist die VR-Brille mit einer innovativen Herzfrequenzmessungsfunktion ausgestattet, die es ermöglicht, die Herzfrequenz der Nutzer*innen in Echtzeit zu überwachen. Diese Daten dienen dazu, den Therapieverlauf genau zu verfolgen und die Patienten dabei zu unterstützen, ihre Angst zu bewältigen und Fortschritte zu machen. Außerdem wird, sobald die Frequenz zu hoch ist, eine im Voraus festgelegte Beruhigungsmethode angezeigt, die den Patient*innen hilft sich in einer Konfrontationssituation zu beruhigen.
Finales Design
Die Anwendung ermöglicht es den Nutzer*innen, ihre Therapiesitzungen selbst zu starten, indem sie in die Virtual Reality eintauchen. Dabei misst die VR-Brille kontinuierlich den Puls des Nutzers, und sobald dieser steigt, werden passende Beruhigungsmethoden angezeigt. Nach der Sitzung könen Patient*innen Erfahrungen in einem Tagebucheintrag reflektieren und wichtige Daten einsehen. Diese Informationen stehen auch Therapeut*innen zur Verfügung, um die Therapie individuell anzupassen.
Zusätzlich bietet die App eine Vielzahl von Beruhigungsmethoden und informativen Artikeln, die es dem Nutzer ermöglichen, mehr über seine Angst zu erfahren und sich weiterzubilden. Um den Übergang zur Realität zu erleichtern, kann die App auch mit einer Smartwatch verbunden werden, um den Fortschritt und die Bewältigung der Angst im Alltag zu unterstützen.
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