Inhalt des Kurses
Masterarbeiten Strategische Gestaltung
Strategische Gestaltung
Semesterjahr BetreuungProf. Matthias Held, Prof. Gabriele N. Reichert
mātā - Wege zur finanziellen Autonomie

Die wirtschaftliche Realität vieler Frauen in Deutschland ist bis heute von struktureller Benachteiligung geprägt. Zwar ist die rechtliche Gleichstellung längst verankert, doch im Alltag zeigt sich ein deutliches Gefälle. Frauen verfügen im Laufe ihres Lebens über deutlich weniger Kapital als Männer. Laut einer ARTE-Dokumentation erwirtschaftet eine Frau im Durchschnitt nur ein Drittel des Lebenskapitals eines Mannes [1]. Diese finanzielle Lücke hat weitreichende Folgen – sie beeinflusst nicht nur die individuelle Selbstbestimmung und wirtschaftliche Sicherheit, sondern auch die grundlegende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Die Ursachen für diese Ungleichheit sind komplex und vielfach miteinander verwoben. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, übernehmen den Großteil unbezahlter Sorgearbeit und sind überdurchschnittlich oft in schlechter bezahlten Berufen tätig. Das spiegelt auch der Gender Pay Gap: Während der bereinigte Unterschied bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation bei 6 % liegt, beträgt der unbereinigte Lohnunterschied sogar 18 % [2]. Hinzu kommt, dass sich Frauen seltener am Kapitalmarkt beteiligen, sei es aus Mangel an Startkapital, aufgrund fehlender Informationen oder aus Unsicherheit im Umgang mit finanziellen Entscheidungen. Diese Tendenz wird durch gesellschaftlich geprägte Rollenmuster und stereotype Erwartungen an weibliche Lebensentwürfe zusätzlich verstärkt.Schon früh wird vielen Frauen vermittelt, dass Finanzen und Vermögensaufbau nicht zu ihrem Verantwortungsbereich gehören, ein Bild, das durch die unzureichende Verankerung finanzieller Bildung im Bildungssystem weiter gefestigt wird.
Diese Prägung zeigt sich im Verhalten. Frauen beschäftigen sich seltener regelmäßig mit ihrer finanziellen Planung. In einer Umfrage gaben 24 % der befragten Frauen an, überhaupt keine Ersparnisse zu bilden [3]. Gleichzeitig überlassen 58 % der verheirateten Frauen die finanziellen Entscheidungen ihrem Partner, unabhängig davon, wer das höhere Einkommen erzielt [4]. Selbst in Haushalten, in denen die Frau die Hauptverdienerin ist, trifft häufig der Mann die finanziellen Entscheidungen [5] [6].
All dies führt zu einem Kreislauf der finanziellen Benachteiligung. Wer weniger verdient, kann weniger sparen. Wer weniger spart, kann kaum Rücklagen oder Investitionen aufbauen. Wer kein eigenes Vermögen hat, bleibt in vielen Lebenssituationen abhängig, etwa in Partnerschaften, nach Trennungen oder im Alter. Besonders kritisch wird es, wenn die finanzielle Verantwortung dauerhaft abgegeben wird und eine stille Abhängigkeit entsteht, die sich in wirtschaftlicher Ohnmacht manifestieren kann. Das kann bedeuten, dass Frauen in Beziehungen verharren, aus denen sie sich aus finanziellen Gründen nicht lösen können, oder nach Schicksalsschlägen wie dem Tod des Partners oder einer Scheidung unvorbereitet in Armut oder Altersarmut rutschen.
Ansatz
Die finanzielle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist tief verwurzelt. Laut dem Weltwirtschaftsforum wird es ohne Wandel noch rund 169 Jahre dauern, bis eine Gleichstellung beim Vermögen erreicht ist [7]. Deshalb setzt mātā gezielt bei jungen Frauen an, die noch viele Finanzentscheidungen vor sich haben. So können frühzeitig Weichen gestellt und langfristige Veränderungen ermöglicht werden.
Das Ziel besteht darin, sie zu befähigen, die Kluft zwischen struktureller Benachteiligung und ihrer individuellen Lebensrealität aktiv zu überbrücken und ihre finanzielle Zukunft selbstbestimmt in die Hand zu nehmen – unabhängig von politischen Reformen oder gesellschaftlichem Fortschritt.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie finanzielle Selbstwirksamkeit gefördert werden kann – nicht durch Druck, sondern durch Orientierung, Unterstützung und gezielten Kompetenzaufbau.
Grundlage ist das Fogg-Verhaltensmodell, das Verhalten als Zusammenspiel von Motivation, Fähigkeit und Auslöser versteht [8]. Darauf basierend wurden vier Interventionsansätze entwickelt, die durch kleine Impulse eine nachhaltige Beschäftigung mit Finanzen anstoßen können.
Zur Stärkung der Motivation nutzt mātā eine visuelle Simulation individueller Lebens- und Finanzszenarien. Sie zeigt, wie heutige Entscheidungen die finanzielle Zukunft beeinflussen können. Ergänzt wird dies durch eine Community, die Austausch, Motivation und Zusammenhalt schafft.
Zur Förderung der Fähigkeiten setzt mātā auf verständlich aufbereitetes Finanzwissen sowie Gesprächsimpulse, um finanzielle Themen in Partnerschaften offen ansprechen zu können – ein oft tabubehafteter Bereich.
Der Fokus liegt auf dem interaktiven Finanzsimulator, da es bei der finanziellen Vorsorge besonders wichtig ist, sich frühzeitig mit den eigenen Finanzen auseinanderzusetzen. Dies wird durch die Zukunftssimulation gefördert. Der Simulator wird durch Gesprächskarten ergänzt.
Mātā wurde in enger Zusammenarbeit mit dem FinTech-Unternehmen Finanzguru by dwins GmbH konzipiert. Die Initiative ist Teil eines strategischen Gestaltungsprozesses innerhalb des Unternehmens und wurde mit dem klaren Ziel entwickelt, Frauen langfristig zu empowern, sodass sie ihre finanzielle Verantwortung eigenständig übernehmen können. Mātā versteht sich dabei nicht als weiteres Tool mit Finanzwissen, sondern als ganzheitliches Unterstützungsangebot, das Motivation, Zugang und Handlungskompetenz miteinander verbindet.
Im Zentrum steht die Stärkung finanzieller Selbstbestimmung – individuell, im eigenen Tempo und angepasst an die persönlichen Lebensrealitäten. Auch wenn sich mātā vorrangig an Frauen richtet, steht das Angebot allen offen, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit stärken wollen.

Der Finanzsimulator
Ein zentrales Element von mātā ist ein interaktiver Simulator, der individuelle Lebensentscheidungen und deren finanzielle Langzeitwirkungen anschaulich darstellt. Nutzer:innen können verschiedene Szenarien durchspielen, beispielsweise wie sich ihr Vermögen mit oder ohne private Altersvorsorge, bei gemeinsamen oder getrennten Finanzen oder mit und ohne Kinder entwickelt. Die Anwendung visualisiert, welche Auswirkungen heutige Handlungen auf die persönliche finanzielle Zukunft haben. Dabei versteht sich der Simulator nicht als mahnende Instanz, sondern als Spiegel, der Orientierung bietet, Bewusstsein schafft und zur Reflexion einlädt. Frauen sollen nicht belehrt, sondern gestärkt werden. Sie haben die Möglichkeit, verschiedene Simulationen zu erstellen, miteinander zu vergleichen und am Ende konkrete Handlungsschritte zu erhalten, um den nächsten Schritt in Richtung finanzielle Unabhängigkeit zu gehen.



Die Gesprächskarten
Der zweite umgesetzte Ansatz sind Gesprächsimpulse, die gezielt entwickelt wurden, um das Thema Geld frühzeitig in Beziehungen anzusprechen. Das Kartenset „Geldgeflüster“ bietet niedrigschwellige Anstöße zu Themen wie gemeinsamer Haushaltsführung, Elternzeit, Vermögensaufteilung oder Altersvorsorge. Das Ziel besteht darin, finanzielle Gleichberechtigung bereits in den frühen Phasen einer Beziehung zu berücksichtigen, bevor sich Abhängigkeiten oder traditionelle Rollenmuster festigen. Neben den Gesprächsimpulsen enthalten die Karten auch Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Themenbereichen. So schafft das Kartenset Raum für offene und partnerschaftliche Gespräche, in denen wirtschaftliche Verantwortung geteilt und individuell verhandelt werden kann.



Vision
Die Initiative mātā bildet den Anfang eines langfristigen Projektes zur finanzielle Selbstbestimmung. Unser Ziel ist es, eine lebendige und wachsende Infrastruktur zu schaffen, die Frauen mit Wissen, Orientierung und Unterstützung versorgt. Geplant sind unter anderem weitere Ansatzpunkte wie eine personalisierte Wissensvermittlung und eine Peer-to-Peer-Community. Dadurch soll die ökonomische Selbstständigkeit von Frauen nachhaltig gestärkt werden – mit positiven Auswirkungen auf ihr individuelles Leben sowie auf die Gesellschaft als Ganzes.

Quellen:
[1] V. Préault, Ist Geld Männersache? (1/2), [Online], 2025. Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=K3bnU7lJipI, [Aufgerufen am: 24.04.2025]
[2] “Lohngerechtigkeit”. [Online]. (Sep. 2024), Adresse: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/
themen/gleichstellung/frauen-und-arbeitswelt/lohngerechtigkeit.
[Aufgerufen am: 24.04.2025]
[3] Finanzheldinnen. “Podcast Folge 2: Wie es auch ohne Prinz klappt – die ersten Schritte auf dem Weg zur finanzheldin”. [Online]. (Juli 2019), Adresse: https://finanz-heldinnen.de/podcast-schwungmasse/2-wie-es-auch-ohne-prinz-klappt [Aufgerufen am: 02.05.2025]
[4] G. Tinghög, A. Ahmed, K. Barrafrem, T. Lind, K. Skagerlund und D. Västfjäll, “Gender differences in financial literacy: The role of stereotype threat”, Journal of Economic
Behavior and Organization, Dez. 2021. DOI: 10 . 1016 / j . jebo . 2021 . 10 . 015.
Adresse: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0167268121004455.[Aufgerufen am: 02.05.2025]
[5] V. J. Tichenor, “Status and income as gendered resources: The case of marital power”, Journal of Marriage and Family, 1999. DOI: 10.2307/353566
[6] C. Yodanis und S. Lauer, “Managing money in marriage: Multilevel and cross-nationaleffects of the breadwinner role”, Journal of Marriage and Family, Dez. 2007. DOI:
10.1111/j.1741-3737.2007.00449.x.
[7] V. Préault, Ist Geld Männersache? (2/2), [Online], 2025. Adresse: https://www.youtube.com/watch?v=pBqv0_Ruxug, [Aufgerufen am: 24.04.2025].
[8] V. Grabmaier, Interview mit Ewald Swetlana, finanzheldinnen eine Initiative der
Commerzbank Aktiengesellschaft, Apr. 2025.
Prof. Matthias Held, Prof. Gabriele N. Reichert
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