In der Bachelor-Arbeit im 7. Semester bearbeiten die Studierenden anhand eines frei wählbaren Themas ein Gestaltungsprojekt, in dem sie ihre erlernten Kenntnisse in Recherche, Konzept und Entwurf praktisch anwenden.
Qora – Generative Gestaltung in der Quartiersplanung
Städte wachsen – mit mehr Menschen, mehr Gebäuden, mehr Ansprüchen: an Grün, Klima, Mobilität, Gemeinschaft und bezahlbares Wohnen. Doch je vielfältiger die Bedürfnisse, desto größer die Zielkonflikte. Genau hier setzt unser Tool an: Es macht Wechselwirkungen sichtbar, hilft beim Abwägen von Varianten und schafft eine gemeinsame und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage.
Worum geht’s?
Stadtentwicklung betrifft viele drängende Fragen: Klima, Mobilität, Wohnen, Gerechtigkeit. Doch oft fehlt es an Übersicht und Verständlichkeit, besonders in frühen Planungsphasen. Unser Ziel war ein Werkzeug, das genau dort ansetzt: es vereint Daten, Entwürfe und Diskussion. Nicht für Spezialisten allein, sondern für alle, die Stadt mitgestalten wollen: Planende, Verwaltungen, Politik, Öffentlichkeit.
QORA vereint datenbasierte Entwurfslogik mit gestalterischer Klarheit und hoher Nutzerorientierung. Die zentrale Innovation liegt im Umgang mit Komplexität: Statt eines klassischen Command-Based Interfaces, das konkrete Befehle ausführt, basiert QORA auf dem Prinzip der intent-based outcome specification. Nutzer*innen definieren nicht, wie ein Ergebnis konkret aussehen muss, sondern was sie erreichen wollen – das Tool übersetzt diese Absichten in ein offenes Spektrum möglicher Varianten.
So wird das Generieren von Entwurfsvarianten selbst zu einem gestalterischen Akt. QORA ist kein starres Berechnungsprogramm, sondern ein explorativer Raum: Zielkonflikte, Randfälle und neue Lösungen werden sichtbar, die im klassischen Planungsprozess oft verborgen bleiben. Die Nutzer*innen erhalten zugleich die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen – über anpassbare Parameter, eigene Daten und steuerbare Toleranzen.
Besonders innovativ ist dabei, wie QORA qualitative Ziele (z. B. soziale Teilhabe, Klimaanpassung) und quantitative Kennzahlen (z. B. Versiegelung, Dichte) in einem einheitlichen System abbildet und visuell verständlich miteinander verknüpft. Die Quartiersskizzen am Ende des Prozesses sind nicht nur Darstellungen, sondern diskursive Werkzeuge: Sie ermöglichen gemeinsames Verstehen, Vergleichen und Aushandeln – innerhalb der Planung, mit der Verwaltung und gegenüber der Öffentlichkeit.
Städtebauliche Grundlagen
Damit diese Varianten realistisch und genehmigungsfähig bleiben, greifen wir auf fundiertes Wissen aus dem Städtebau zurück: Gebietstypen, GRZ, GFZ, Lärmzonen, typische Baustrukturen. Stadtplanung ist ein langer, iterativer Prozess, geprägt von Zielkonflikten und politischen Interessen. Unser Tool bietet dafür eine belastbare, transparente Entscheidungsbasis.
Was passiert im Hintergrund?
Der Planungsprozess gliedert sich in zwei Phasen: Pre-Generierung: Standort analysieren, Parameter definieren, Ziele setzen. Post-Generierung: Varianten bewerten, vergleichen und diskutieren.
Diese Aufteilung schafft gestalterische Offenheit: Erst durch spätere Bewertung wird klar, welche Lösungsansätze Potenzial haben. Das Tool vermeidet eine zu frühe Festlegung, um möglichst viele Szenarien sichtbar zu machen.
Features im Überblick
1. Standortanalyse mit automatischer Datenerhebung
Geodaten, Flächennutzung, Infrastruktur und Umweltdaten werden automatisch geladen. Fehlende Infos können ergänzt werden. Ergebnis: eine fundierte, visuelle Bestandsaufnahme für den Entwurfsstart.
2. Planungsparameter & Gebietstypen festlegen
Der Nutzer wählt einen Quartierstyp, überprüft Handlungsempfehlungen und passt Kennzahlen an. Abhängigkeiten, wie zwischen Geschosszahl und Gebäudehöhe, werden klar visualisiert. Toleranzen lassen sich feinjustieren, Änderungen werden protokolliert.
3. Protokollfunktion für transparente Entscheidungen
Alle Änderungen am Entwurf werden automatisch im Protokoll erfasst. So lassen sich abweichende Entscheidungen begründen, kommentieren und später nachvollziehen – für transparente Planung und fundierte Diskussionen im Team oder mit externen Beteiligten.
4. Objektauswahl & Nutzungskonzept
Hier legt der Nutzer fest, welche baulichen Objekte ins Quartier sollen – etwa Reihenhäuser oder soziale Infrastruktur. Empfehlungen basieren auf BauNVO und Standortanalyse. Die Priorisierung erfolgt per Drag & Drop, ergänzt durch Nutzungs-Prompts.
5. Handlungsfelder als Bewertungsstruktur
Alle relevanten Handlungsfelder werden übersichtlich dargestellt. Sie bilden die Bewertungsgrundlage der späteren Varianten, sind aber inhaltlich nicht direkt veränderbar. Das hilft, die Wirkung einzelner Entscheidungen besser einzuordnen.
6. Zentrales Dashboard zur Steuerung & Übersicht
Im Generierungs-Dashboard stellt der Nutzer Bandbreite und Rechenzeit ein. Je mehr Varianten berechnet werden, desto klarer zeigen sich Zielkonflikte, Grenzfälle und Potenziale. Das System schafft Raum für Exploration statt Eindeutigkeit.
7. Bewertung & Vergleich von Varianten
Im Bewertungssystem filtert der Nutzer Varianten über Skalen, analysiert Potenziale und verändert Gewichtungen. Am Ende stehen drei ausgewählte Entwürfe, die exportiert und als Grundlage für Diskussion und Entscheidungsfindung genutzt werden.
Und zum Schluss
Gute Stadtplanung ist nicht nur technisch – sie ist emotional. Wie im Design geht es um mehr als nur Funktion: Es geht um Atmosphäre, Identität, Zugehörigkeit. Städte sollen nicht nur effizient, sondern auch lebenswert sein. Unser Tool hilft, beides zusammenzudenken, damit Stadtentwicklung menschlich bleibt. Denn die emotionale Qualität des Raums muss Teil des fachlichen Anspruchs bleiben. Genau darin liegt die Verantwortung heutiger Stadtplanung.