Die Nutzung eines vermeintlich simplen Produkts wird von Studierenden dokumentiert.
Wie nutzerfreundlich ist ein Produkt?
Die äußere Form eines Interaction Mappings ermöglicht die schnelle Erfassung einzelner Bedienschritte, Probleme und auch erste Erkenntnisse. Den Studierenden wird die Wichtigkeit der Analyse kleinster Interaktionen für einen erfolgreichen Designprozess näher gebracht. Durch die visuell möglichst klare Aufbereitung des Mappings werden Grundlagen vermittelt.
Kai Wanschura, Maximilian Schulist, Johanna Wellnitz, Mark Meyer
Messschieber – Interaction Map
PROZESS
Proband Devon (21 Jahre, Brillenträger, handwerklich unerfahren, Student an der HfG) bekommt in einem gut ausgeleuchteten leeren Raum die Aufgabe, mithilfe des Messschiebers (first use), eine herkömmliche Kaffeetasse so zu vermessen, dass er am Ende alle Messansatzpunkte (Innen-, Außenmessschenkel und Tiefenmaß) einmal in Anspruch genommen hat. Kein Zeitdruck, keine weiteren Personen, lediglich ein´e Kameramann´frau dokumentiert das Geschehen.
Nun ging es an die Videoauswertung und Kategorisierung der Themen im Testvideo. Aufbereitet wird dies in Form einer “Interaktion-Map”, die ich mit einer sechs Meter langen Papierrolle realisiert habe. Die Erkenntnisse werden kategorisiert in “doing” (gelb), “time” (schwarzer Strich), “saying” (blau), “feeling” (grün) und “insights” (rot). Zusätzlich entschied ich mich für Bilder an wichtigen Handlungsschritten, um Situationen besser beschreiben zu können. Doch bevor ich gestartet habe mit dem Mapping, wurden erstmal alle zum Testen relevanten Daten zum Probanden gebündelt und an den Start der Papierrolle geschrieben, damit nachfolgende Insights personennah ausgewertet werden können.
Besonders herausfordernd war die Auswertung der Emotionen und Gefühle der Testperson Devon, da sie auf den ersten Blick meist gleich aussahen.
Bevor es an die Umsetzung des Plakates ging, wurden nochmal alle Insights (Erkenntnisse) aus der Interaktion Map gesammelt und bewertet. Anschließend habe ich mich für folgende Insights entschieden und diese ausformuliert.
Messansatzpunkte
Nach wenigen Handgriffen werden Devons Erwartungen positiv erfüllt. Der Messschieber kommuniziert damit klar, wo sich die möglichen Messansatzpunkte befinden.
Feststellschraube
Die Feststellschraube ist zuerst nicht direkt für Devon als Drehschraube ersichtlich, was zu einer verspäteten Nutzung führt. Nach der Entdeckung kann er den Messschieber leicht und präzise bewegen, was zu einer Steigerung der Emotionskurve führt.
Millimeterskala
Die visuelle Darstellung der Millimeterskala ist einem Lineal nachempfunden und lässt für Devon eine gewohnte Bedienung zu.
Noniusskala
Die Noniusskala schätzt Devon zunächst als unnötige Zusatz-information ein, welche auch der kleinen Darstellung zu verschulden ist, die ihm durch die schlechte Lesbarkeit in ein negatives Gefühl leitet. Nach mehreren Hinweisen, versucht er das System der Millimeterskala anzuwenden. Er scheitert allerdings beim Ablesen, da er zu wenig darauf achtet, den korrekten Blickwinkel einzuhalten. All dies führt zu fehlerhaften Ergebnissen im Nonius Bereich.
Auswertung
Der Messschieber kann nicht deutlich genug durch seine beiden Hinweise „mm“ und „0,05 mm“ kommunizieren, dass beide Teilergebnisse der Skalen für das Errechnen des Gesamtergebnisses essentiell sind. Nach weiteren Tipps ist
eine Auswertung für Devon möglich.
Bevor ich mit den Skizzen begonnen habe, recherchierte ich noch über die Historie, Einsatzbereiche und den Kontext des Messschiebers. Mir wurde schnell bewusst, dass ein Messschieber weniger in herkömmlichen Haushalten, dafür jedoch in jeder industriellen Werkstatt verwendet wird. Somit war klar, es muss etwas technisches her und ich formulierte folgende Idee:
Der Messschieber ist ein Werkzeug der Präzision. Deswegen sollen Teile des Plakats bei´m Betrachter´innen, Verbindungen zu Bildern von technischen Zeichnungen hervorrufen.
Nachdem die Idee konkretisiert wurde, ging es auch schon an die Umsetzung. Nach einigen Skizzen auf Papier, realisierte ich sie folglich digital in verschiedensten Varianten. Dabei lies ich die Farben und Schriftarten außen vor und konzentrierte mich voll und ganz auf die Hierarchisierung der Inhalte sowie die Ebenen, auf die ich später zu sprechen komme.
Um die passende Farbauswahl zu treffen, suchte ich mir lauter industrielle Bilder aus und pickte mir interessante Farben mit Hilfe eines Color Pickers heraus. Anschließend wurden alle Farben in Illustrator kopiert und in unterschiedlichste Abstufungen vermehrt. Am Ende entschied ich mich für eine meiner Meinung nach hochwertige und industrielle Farbpalette, die das Produkt passend unterstreicht.
Symmetrisch, klar und verständlich soll meine Schriftart sein! Also suchte ich nach einer serifenlosen Schrift, die das reduzierte, akkurate, geradlinige Design des Messschiebers unterstreicht. Nach langer Recherche habe ich mich gegen die vom Namen her sehr passende “DINPro” und für die meiner Meinung nach optisch sehr ansprechende FrutigerLTStd entschieden.
Zu guter letzt war mir ein zum Inhalt passendes Grid System wichtig. Da sich aber ein einheitliches Grid System schnell als unharmonisch herausstellte, entschied mich für eine dreigliedrige Unterteilung der Rows. Somit ist der Textbereich (oben), die Illustration des Messschiebers und die Analysegrafik (unten) jeweils ein Bereich.
ERGEBNIS
Bevor ich zum Fazit des Produkts gelang, darf ich stolz mein entstandenes Plakat zum Messschieber präsentieren.
Wie Sie anhand meines nachfolgenden Plakates erkennen können, habe ich mich für eine markante und große Überschrift entschieden, die zusammen mit der maßgetreuen Illustration des Messschiebers und der Beschriftung der Analyse, die erste Ebene kreiert und somit die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Die maßgetreue Illustration des Werkzeugs war mir besonders wichtig, um die Größe und das Aussehen des Messschiebers für alle Betrachter´innen zu visualisieren. Denn gerade bei diesem Produkt ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass es schon einmal gesehen und nicht gehört wurde.
Wenn man nun ein Schritt näher herantritt, eröffnet sich die zweite Ebene des Plakates. Oben rechts gefüllt mit einer Einsatzbereichsgrafik, in der Mitte eine technische Zeichnung und unten Textfelder der Analysegrafik, die nun sichtbar werden.
In der Dritten und letzten Ebene, werde nochmals neue Illustrationen in der Analysegrafik im Auge des´r Betrachters´inn entdeckt und schaffen zusammen mit den kleingeschriebenen Userkommentaren, eine interessante letzte Makroebene. Bei der Analysegrafik habe ich mich für eine “Emotionskurve” entschieden, um die inhaltliche Auswertung visuell zu unterstreichen. Die Frustration beim Probanden darüber, den Messschieber nicht benutzen zu können, führte nämlich zum Abbruch des Versuches. Um nachvollziehbar zu machen, welche Punkte besonders viel Denkvermögen beim Probanden gebraucht haben, war es mir wichtig, die Zeit optisch in der Analysegrafik auf dem Plakat mit einzubauen.
Die Interaktion mit dem Plakat zu fördern und den Betrachter zu einer Entdeckungsreise anzuregen - ihn/sie zu locken die Distanz zu dem Plakat zu verändern, um Dinge zu erfassen, welche für ihn/sie aus weiterer Entfernung nicht direkt mit dem bloßen Auge zu erkennen sind, waren der ausschlaggebende Punkt für meine Gestaltung mit den drei Ebenen.
FAZIT ZUM PRODUKT
Das Produkt zieht durch seine spezielle Form die Aufmerksamkeit auf sich!
In den ersten Schritten, überzeugt der Messschieber durch die offene Kommunikation seiner Funktionen mit der Affordance. Sie beginnt jedoch zu bröckeln, sobald der Nutzer gegen die Feststellschraube Kraft anwenden muss. Dennoch kann er durch sein Mapping (Analogie zum Lineal) die Emotionen halten. Das visuelle Feedback wird wiederum durch eine zu klein verwendete Schriftart gestört, was das weitere Vorgehen unklar macht.
Daraus lässt sich ableiten, dass eine größere Darstellung und Farbkodierung zur ausführenden Reihenfolge, Devon zu einem positiveren Endergebnis führen würde.
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