In der Bachelor-Arbeit im 7. Semester bearbeiten die Studierenden anhand eines frei wählbaren Themas ein Gestaltungsprojekt, in dem sie ihre erlernten Kenntnisse in Recherche, Konzept und Entwurf praktisch anwenden.
Ein Tool zur Erstellung von Phantombildern in Zusammenarbeit von Zeuge und Phantombildersteller
Missing Link ist eine Anwendung, mit der Phantombilder geschaffen werden können. Die Anwendung wird von zwei Nutzergruppen genutzt, zum einen von Phantombilderstellern und auf der anderen Seite von Zeugen. Das Ziel dieser Anwendung ist es, durch die Zusammenarbeit zwischen Phantombildersteller und Zeuge ein Phantombild zu fertigen. Phantombildersteller müssen sich in ihrer Arbeit immer wieder der Herausforderung stellen, die verbale Aussage und die Vorstellungen eines Zeugen zu einem Bild zu bekommen. Zeugen wiederum haben in solchen ohnehin schon überfordernden Situationen die schwere Aufgabe, das Gesicht der gesuchten Person aus ihren Erinnerungen heraus so zu kommunizieren, dass daraus ein Bild entstehen kann. Man merkt also, dies ist kein einfacher Prozess für beide Beteiligten.
Das Ziel von Missing Link ist es, beiden Zusammenspielern diese Aufgabe zu erleichtern, indem es dem Zeugen die Möglichkeit bietet, gemeinsam mit dem Phantombildersteller am Gesicht des Zeugen zu arbeiten. Hierfür bekommt der Zeuge ein Tablet mit einem Anfangsmodell, das er sich zuvor zusammenbasteln konnte, und kann dann anfangen, dieses Modell nach seinen Vorstellungen und Erinnerungen zu bearbeiten. Die Aufgabe des Phantombilderstellers ist es dabei, sich voll und ganz auf den Zeugen einzulassen und durch den Dialog zum Zeugen zu versuchen zu verstehen, was der Zeuge am Gesicht verändern möchte. Die Erstellung kann er gespiegelt nämlich auf seinem eigenen PC sehen, während er daneben sitzt und den Zeugen mental sowie fachlich betreut bei der Erstellung.
Interaktion
Wenn der Phantombildersteller eine Ahnung davon bekommt, was der Zeuge erreichen möchte, kann dieser ihm Werkzeuge freischalten, die dann bei ihm auf dem Tablet erscheinen. Mit diesen Werkzeugen kann der Zeuge nun das Gesicht bearbeiten. Sie sind so konzipiert, dass sie sehr einfach in der Steuerung sind, sodass auch ein Laie, der zum ersten Mal am Tablet arbeitet, die Bedienung versteht. Denn entweder handelt es sich bei den Werkzeugen um einfache Schieberegler oder um sogenannte Ankerpunkte. Das sind Punkte, die sich im Gesicht an den Stellen befinden, an denen durch die Bewegung dieser Veränderungen im Gesicht entstehen. So können Zeugen ganz intuitiv beispielsweise einen Ankerpunkt am Kinn nach innen oder außen ziehen, um das Kinn markanter oder breiter zu machen. Dass der Phantombildersteller ihm die Werkzeuge erst freischalten muss, bis er sie benutzen kann, hat unterschiedliche Hintergründe. Zeugen fühlen sich in solchen Situationen oft ohnehin schon angespannt, nervös oder überfordert. Man kann grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass sie tagtäglich mit Gesichtern oder Tablets arbeiten. Viele Funktionen und Möglichkeiten auf einen Blick zu sehen, kann sehr überfordernd wirken und die Zeugen einschüchtern.
Außerdem spielt in so einer besonderen Vernehmungssituation die menschliche Interaktion mit dem Phantombildersteller eine tragende Rolle. Denn er ist der Experte in der Situation, der dazu ausgebildet ist, mit dem Zeugen umzugehen und ihn so zu unterstützen, dass der Zeuge ein sicheres Gefühl bekommt und sich besser auf die Phantombilderstellung einlassen kann. Dieses Vertrauen kann am besten durch einen Dialog und das viele Sprechen über die Tat und das Gesicht des Täters entstehen. Dabei werden Erinnerungen wiederholt und gefestigt. Diesen Dialog kann sich der Prozess zu Nutze machen, denn oft kommt dabei genau hervor, welche Veränderungen am Gesicht gemacht werden müssen, um ans Ziel, die Wiedererkennung, zu gelangen. Hierbei muss der Zeuge keine Fachwörter benutzen, denn es geht zu keinem Zeitpunkt darum, einen gemeinsamen Wortschatz zu schaffen.
Denn dadurch, dass der Zeuge selbstständig die Veränderungen am Gesicht vornehmen kann, reicht es durch Gestik oder eine Beschreibung der Aktion, die man durchführen möchte, an das passende Werkzeug zu kommen. Beispielsweise könnte der Zeuge im Dialog erwähnen, wie spitz er die Nase gerne hätte. Intuitiv würde der Zeuge sich zum Beispiel an die Nase fassen oder mit seiner Hand eine Bewegung einer spitz zulaufenden Nase machen. Diese Bewegung kann der Phantombildersteller beispielsweise genau den Ankerpunkten zuordnen und ihm diese freischalten. Was der Phantombildersteller schon die ganze Zeit auf seinem Screen sieht, erscheint nun beim Zeugen als Werkzeug. Er kann nun die gleiche Bewegung der spitz zulaufenden Nase mit den Ankerpunkten machen. Der Phantombildersteller lernt im gesamten Prozess die Fähigkeiten sowie den mentalen Zustand des Zeugen einzuschätzen und kann ihm jederzeit Werkzeuge auch wieder wegnehmen oder neue hinzugeben. Das entscheidet er je nach seiner Einschätzung über die Überforderung des Zeugen.
Sollte der Phantombildersteller von Anfang oder zu einem anderen beliebigen Zeitpunkt im Prozess merken, der Zeuge kommt entweder nicht mit der Situation, der Technik oder der Nähe zum Täter klar, kann er jederzeit das Ruder übernehmen und über die Anweisungen des Zeugen das Phantombild auch ohne die aktive Mitarbeit des Zeugen am Gesicht das Phantombild erstellen.
Im Fokus soll jedoch immer die zwischenmenschliche Interaktion stehen, die in so einer Vernehmung sehr wichtig ist und dazu beiträgt, dass die Anwendung zu einem angenehmen Prozess und sehr gutem Ergebnis führt.
Es lebt von der Zusammenarbeit dieser zwei Nutzer. Sollte der Zeuge zufrieden sein mit dem Ergebnis, ist die Zusammenarbeit beendet und der Zeuge kann verabschiedet werden. Nun kann der Phantombildersteller das Bild für die Weitergabe an den Sachbearbeiter und für die Veröffentlichung vorbereiten. Durch einfaches Zusammenklicken von Presets werden Wappen, wichtige Beschriftungen und für die Veröffentlichung vorgegebene Filter über das Phantombild gelegt, sodass nun auch der Phantombildersteller seinen letzten Teil zu dem Ergebnis geleistet hat.
Gestaltung
In der Gestaltung dieser Anwendung wird stets die Waage zwischen professionellem Design und freundlichem und einladendem Design gehalten. Es ist nämlich wichtig, die Gestaltungsansprüche an beide Nutzergruppen zu erfüllen. So werden beispielsweise unterschiedliche Rundungen der UI-Elemente in den Screens der beiden Geräte genutzt. Auch wird in den Farben unterschieden, um den Kontrast zwischen Zeuge und Phantombildersteller deutlicher hervorzuheben. So bedienen sich die Screens des Phantombilderstellers eher dunkler Farbpaletten, die professionell und praktisch wirken, während die Screens des Zeugen eher hell sind und quasi die „invertierte“ Ansicht des Phantombilderstellers darstellen. Sie sollen einladender wirken, um dem Zeugen an dieser Stelle auch durch das Design die Überforderung zu nehmen.
Was sagen Experten dazu?
Beim Austausch mit Experten rund um das Thema Phantombilderstellung wurde deutlich, wie hilfreich Phantombildersteller dieses Konzept finden würden. Im Verlauf des Projekts wurden Kontakte zu erfahrenen Phantombilderstellern und Phantombilderstellerinnen geknüpft, die die Sinnhaftigkeit des Konzepts bestätigten. Die Möglichkeit, den Zeugen betreut viel aktiver am Phantombild mitarbeiten zu lassen, kam gut an, da die Erfahrung ergab, dass dies in vielen Fällen bereits hilfreich gewesen sein könnte.
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