In dem Fach Invention Design 1 bestand unsere Aufgabe darin, uns eine aufkommende oder noch nicht etablierte Technologie zu suchen und mit dieser ein Problem zu lösen. Hierbei wurde uns geraten, zuerst die Technologie zu finden, bevor man sich Gedanken über das zu lösende Problem macht.
Nach einigem Brainstorming entschieden wir uns für die Augmented Reality. Im Verlaufe des Projekts kamen noch weitere Technologien wie Machine Learning dazu, jedoch war die Augmented Reality unser Startpunkt. Mit der Augmented Reality setzen wir uns als Ziel,
ein System für Personen mit Fahrangst oder akutem Stress beim Autofahren zu gestalten.
Von Angst und Ängstlichkeit
Im Laufe des Projekts zogen wir eine Psychologin als Expertin dazu. Im Gespräch mit ihr wurde unsere Zielgruppe maßgeblich verändert und der Fokus des Projektes verlagert. Die Psychologin lieferte uns wichtige Insights, die wir so nicht bedacht haben. Denn Angstpatienten sind nicht nur die falsche Zielgruppe für unser System, Angst werden wir dadurch auch nicht langfristig und nachhaltig reduzieren können. Stattdessen fokussierten wir uns auf ängstliche Autofahrende.
Der Unterschied zwischen Ängstlichkeit und Angst liegt darin, dass Angst ein sehr starker emotionaler Zustand ist, welcher nicht lange vom Körper ausgehalten werden kann. In diesem Zustand haben Person auch oft Todesangst und sind massiv mit der Situation überfordert. Wohingegen die Ängstlichkeit ein Persönlichkeitsmerkmal ist. Personen, die ängstlich sind, schätzen Situationen falsch ein und fallen somit schneller und öfter in ungesunden Stress.
Da wir nicht damit gerechnet haben, dass Fahrangst solche Ausmaße hat und wir in dem Prozess der Therapie mehr eine Ablenkung als eine Hilfe wären, haben wir uns dafür entschlossen den Fokus auf die ängstlichen Fahrenden zu legen.
Was genau ist Lunis überhaupt
Zusammengefasst ist Lunis ein System für Ängstliche und unsichere Fahrende, so ist es geeignet für Personen die mit dem Fahren anfangen, Personen die wenig Fahren oder Personen die lange nicht gefahren sind. Das System soll keine Angst lösen, sondern Stress der während der Fahrt entsteht mindern und auf ein gesundes Maß absenken. Zusätzlich war es uns wichtig, dass Lunis keine Abhängigkeit schafft und nach der Fahrt immer die Möglichkeit bietet die Stresssituation zu reflektieren. Bei der Reflexion wird zusätzlich fachlicher Input geliefert, um die Stresssituation nachhaltig zu entschärfen.
Wie funktioniert Lunis?
Stresserkennung
Zuständig für die Stresserkennung sind Sensoren im Lenkrad und Rückspiegel, welche eine stressbedingte Veränderung der Vitalparameter erkennen.
Vitalwerte wie Puls, Leitfähigkeit der Hände und den Griffdruck werden über das Lenkrad erkannt. Über eine Face-Tracking Kamera im Rückspiegel kann ein gestresster Gesichtsausdruck erfasst werden.
Die gesammelten Daten werden dann mithilfe von Machine Learning ausgewertet, sodass Lunis diese Werte, speziell deren Veränderung, präziser erkennen kann.
Über eine Kalibrierung vor dem Start der Fahrt, werden diese Werte im nicht gestressten Zustand gemessen und als Normalwert eingespeichert. Die gesammelten Daten werden dann mithilfe von Machine Learning erfasst, sodass Lunis diese Werte, speziell deren Veränderung in einer Stresssituation, präziser erkennen kann.
Verändern sich all diese Parameter zugleich in einer Verkehrssituation, startet Lunis die Unterstützung.
Einleitung der passiven Unterstützung
Nachdem der Stress festgestellt wurde, leitet Lunis automatisch die unterbewusste Stressregulierung ein. Die Lichtstimmung im Auto wird mit Hilfe von Ambiente Light angepasst um unterbewusst ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Hier nutzen wir die Farbe Blau, da sie beruhigend auf Personen wirkt. Zusätzlich wird über das Lüftungssystem im Auto ein angenehmer Duft freigesetzt. Dieser Duft soll ebenfalls für ein ruhiges und angenehmes Gefühl sorgen und Unterbewusst den Stress der fahrenden Person verringern. Diese unterbewusste Regulierung des Stresses beginnt während der Situation, soll jedoch ihre Wirkung dann vor allem im Cool Down zeigen, da diese unterbewussten Reize auch ein wenig Zeit brauchen bis sie verarbeitet werden.
Aktive Unterstützung
AR
Über die Windschutzscheibe mit integrierter Augmented Reality Technologie wird die Umwelt der Fahrenden angepasst und erweitert. Die AR hebt die persönlichen Handlungsvorschläge und wichtige Verkehrsteilnehmer hervor und unterstützt bei der Priorisierung von Entscheidungen im Straßenverkehr.
Die hervorgehobenen Elemente werden in einem grellen Cyan markiert. Grund dafür ist, dass dem/der Verkehrsteilnehmer*in in der Situation nicht die geltende Verkehrsregel bzw. seine Verhaltensweise durch die AR nahegelegt werden soll. Die Markierung dient ausschließlich in der Situation nur als Hinweis, um die Aufmerksamkeit auf die relevanten Verkehrsteilnehmer oder voraussichtliche Gefahrensituation zu lenken.
Gleiches Prinzip gilt auch bei der verengten Fahrbahn. Hier wurde gezielt der cyanfarbene Farbverlauf an den Seiten der Windschutzscheibe gewählt, da auch in dieser Situation die Aufmerksamkeit auf die jeweilige Seite gelenkt wird, in der eine vermeintliche Gefahr herrschen könnte.
So wird nicht aktiv in die Fahrt eingegriffen, sondern nur unterstützt. Dadurch überlassen wir der fahrenden Person die Verantwortung.
Für die Augmentation auf der Fahrbahn wurden die Farben eines Ampelsystems übernommen, da dieses schon im Verstand der Fahrenden gefestigt ist. So kann der Fahrende das bereits gelernte Wissen aus der Fahrschule für Lunis übernehmen.
Das Cyan ist in der Gestaltung der App, speziell im Teil der Wissensübermittlung, oft wiederzufinden. Ziel war es, eine kognitive Aktivierung auszulösen, sodass eine Verbindung zum übermittelten Wissen in der App entsteht.
Cool Down
Sobald Lunis erkennt, dass die Daten der Vitalparameter wieder sinken, und der Fahrende somit wieder einen ungestressten Zustand erreicht, der ihn beim Autofahren nicht einschränkt, nimmt Lunis sich zurück. Die Augmention, sowie das Ambient Light und der Duft, werden vom System nicht mehr ausgegeben.
Dies gewährleistet, dass der Nutzer bis zum letzten Moment seiner Stresssituation von Lunis begleitet wird. Das kann weit über die eigentliche Verkehrssituation hinausgehen, da dieser Stress auch im weiteren Verlauf der Fahrt nach der Verkehrssituation noch präsent sein kann.
Somit assoziiert der Nutzer Lunis nur mit der Stresstituation und stellt die restliche Fahrt einen unabhängigen Autofahrenden dar, und verlernt dabei nicht Verkehrsregeln zu befolgen, ohne einen Vorschlag von Lunis zu erhalten.
Reflexion
Die Reflexion findet nach der Fahrt in einer zugehörigen App statt. Diese schickt dem Nutzer eine Erinnerung, in die App zu schauen um unreflektierte Stresssituationen zu vermeiden.
Ziel der Reflexion ist es, die eigene Wahrnehmung der Bedrohlichkeit in den jeweiligen Situationen zu berichtigen und somit eine realitätsnähere Wahrnehmung beim Autofahren zu schaffen. Außerdem soll die bereits bekannte StVO gefestigt werden. So wird das Wissen, anhand von den selbst durchlebten Stresssituationen, mit Dashcam Videos nochmals erklärt.
Neben der Reflexion, werden dem Nutzer in der App Tipps und Methoden geboten, mit Stresssituationen umzugehen. So werden neben Atemtechniken, Handlungsmöglichkeiten im Notfall, sowie Möglichkeiten zur bewussten emotionalen Stressregulierung aufgezeigt.
Anhand von einer Grafik, die die Entwicklung des Stresslevels im Laufe der Nutzung von Lunis visualisiert, erkennt der Nutzer seine Erfolge.
In einer Auflistung von Stufen kann der Nutzer sehen, wie seine Selbstständigkeit beim Autofahren steigt. Sobald Lunis merkt, dass der Nutzer in Stresssituationen weniger gestresst ist als er es in der Vergangenheit war und er lernt den Stress besser zu bewältigen, wird die Unterstützung heruntergestuft.
Somit wird der Nutzer in der Theorie immer unabhängiger.