Marken sind emotional und Milliarden wert – obwohl sie nur fiktive Gedankenkonstrukte sind. In diesem Kurs befassen wir uns mit dem Tool Marke und skizzieren einen praktischen Ansatz aus zwei Perspektiven: Brand Story und Brand Design.
Marke oder „Brand“ heißt dieses mächtige Instrument, das aus einer Gruppe von Menschen eine Bewegung wie Fridays for Future, aus profanen Alltagsgegenständen gehypte Artefakte wie Air Jordans und aus einer Ansammlung von Werkhallen eine globale Luxury Brand wie Mercedes-Benz macht. Marken sind eine Erfindung des Konsumzeitalters, Marken erzählen Geschichten, Marken sind Machtinstrumente, Marken sind Milliarden wert – obwohl sie eigentlich nur fiktive Gedankenkonstrukte sind.
Aber was genau umreißen Marken im Digitalzeitalter, wo die Grenzen in Netzwerkstrukturen und Ecosystems verwischen, wo man Produkte und Services nicht mehr anfassen kann und die „Experience“ zur Marke wird? Was beschreibt eine Marke, wenn nachhaltige Produktzyklen und Lieferketten wichtiger werden als das eigentliche Produkt?
In diesem Kurs erhaltet Ihr eine Einführung und Überblick über Marke als Tool, welche Rolle sie in den unterschiedlichen Kontexten Industrie- und Digitalzeitalter spielt und worin eigentlich der Umbruch im Branding in unserer heutigen Zeit, dem Digitalzeitalter, besteht. Im Projekt „A fictional brand“ habt Ihr die Möglichkeit, diese Erkenntnisse direkt in der Praxis und in einem kreativen Prozess anzuwenden. In diesem Projekt entwickelt Ihr eine Marke von Innen nach Außen: von der Formulierung der strategischen, inhaltlichen Idee und Purpose (Brand Story), zu ihrer äußeren Form und Manifestation in der Außenwelt (Brand Design).
Überarbeitung der Markenkommunikation des Lebensmittelladens »unverpackt GD« in Schwäbisch Gmünd.
Unverpackt GD ist seit dem 01.07.2015 in Schwäbisch Gmünd vertreten. Das Unternehmen vergrößerte sich bereits im März 2017 und kombinierte dies mit einem Umzug in eine zentrale Gegend. Seit 2018 hat Unverpackt GD einen festen Platz auf dem Gmünder Wochenmarkt. Besonders hervorzuheben ist, die persönliche Beratung und Kundennähe sowie der einladende Charme eines Tante-Emma-Ladens.
Key Findings
Um einen näheren Eindruck von Unverpackt GD zu bekommen, haben wir den Laden vor Ort besucht. So konnten wir uns ansehen, wie der Laden aufbereitet ist und zudem aufgekommene Fragen klären. Beim Betreten des Ladens fiel sofort auf, dass bis auf die nette Mitarbeiterin niemand im Laden war. Umso mehr Zeit konnte sich die Frau für ein kleines Interview mit uns nehmen.
Bei der Frage nach dem Konzept des Ladens nannte sie uns zwei Ziele. Zum einen geht es darum, den Einwegmüll von Verpackungen zu reduzieren und zum anderen soll es möglich sein, nur so viel einzukaufen, wie man braucht und somit die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Sie erklärte, dass Kund*innen oft ihre eigenen Verpackungen mitbringen. Im Notfall gäbe es auch Papiertüten vor Ort oder gebrauchte saubere Gläser. Der erste Schritt im Laden sei es dann die Verpackung zu wiegen, um sie am Ende vom Gesamtgewicht abziehen zu können. Es gäbe kein einheitliches Pfandsystem im Laden.
Die Kundschaft des Ladens sei “ganz gemischt”. Zur Überraschung der Mitarbeiterin kaufen sogar Familien mit drei bis vier Kindern im Laden ein und das, obwohl sie sich früher sicher waren, dass dies zu teuer für diese Zielgruppe werden könne, da sie ausschließlich Bio-Produkte verkaufen.
“Von Schülern bis Senioren, alles Querbeet.”
Als es um die Konkurrenz des Ladens ging, konnte sie uns kaum Läden nennen, außer einer kleinen Abteilung bei der Supermarktkette Tegut, in der man mittlerweile einige Lebensmittel selbst abfüllen kann.
Zuletzt kam das Gespräch auf die auf der Website angebotenen Stadtführungen und Seminare des Ladens. Normalerweise würde die Geschäftsführerin, gelernte Ernährungsberaterin, eigene Workshops im Laden durchführen. Dort würde dann ein Tisch aufgebaut und zum Beispiel selbst Seifen hergestellt werden. Während der Coronakrise sei das aber nicht umsetzbar und so fielen alle Aktivitäten im letzten Jahr aus.
Vision
Unsere Marke stellt einen radikalen Gegenentwurf zu Mainstream-Produkten und dem Mainstream-Lifestyle dar. Wir schaffen mehr Transparenz zur Herkunft und Inhaltsstoffen der Lebensmittel.
Wir denken die konventionelle Lebensmittellogistik neu, indem wir die Markenwelten der Lebensmittel aufbrechen. Ursprüngliche Prozesse werden neu kultiviert und das bisherige Markenerlebnis wird zum Einkaufserlebnis. Durch die User-Experience fördern wir die Selbstwirksamkeit und schärfen das Bewusstsein der Konsument*innen für die Vermeidung von unnötigem Müll und Lebensmittelverschwendung.
User Journey
Anhand einer User Journey Map konnten wir das Einkaufserlebnis ganzheitlich betrachten. Wir fanden heraus, dass der Wiegeprozess kompliziert und aufwendig ist. Als Erstes muss man den mitgebrachten Behälter im leeren Zustand wiegen. Anschließend befüllt man ihn mit den gewünschten Produkten. Zum Schluss wird der volle Behälter erneut gewogen und man kann schließlich bezahlen. Aus diesem generierten Painpoint definierten wir neue Anforderungen. Um die User-Experience zu verbessern, wollten wir den umständlichen Wiegevorgang vereinfachen. Zudem wurde der persönliche Umgang, die Beratung sowie das selbstbestimmte Abfüllen der Produkte als besonders positiv herausgestellt.
Brand Moment
Selbstbestimmt. Echt. Transparent.
Unser Brandmoment ist das Abfüllen der Ware. Völlig selbstbestimmt kann über die beliebige Menge gewählt werden. Diese User Experience macht das Einkaufserlebnis für Kund*innen besonders. Die Produkte werden mit allen Sinnen wahrgenommen. Beim Abfüllen hört man, wie die Ware in das Glas fällt und man richt die verschiedensten Düfte.
Logo
Aus der User Journey und dem Brand Moment haben wir unser Konzept abgeleitet. Die Lebensmittel sind nicht mehr hinter einem Packaging Design versteckt, sondern im Laden für jeden pur zu sehen. Die Sichtbarkeit der Ware ist unser USP, den wir in unseren neuen Markennamen eingearbeitet haben.
Unsere neue Marke heißt: »sichtbar – hier weißt du was du bekommst«.
Pfandsystem
Wir möchten den Abfüll-Prozess vereinfachen und bieten den Kunden schlichte und nachhaltige Glasgefäße an. Beim Abwiegen der Ware kann der entsprechende Behälter als Grundgewicht angegeben werden, ohne umständlich vor dem Wiegen und vor dem Bezahlen das Tara-Gewicht zu ermitteln.
In den schlichten Glasgefäßen können die Kunden die Waren transportieren und zu Hause auch lagern. Diese Behälter können durch ein Pfandsystem im Laden erworben und später auch wieder abgegeben werden. Zusätzlich können die Behälter beschriftet werden.
Look and Feel
Dieser Look findet sich auch in dem Interieur des Ladens wieder. Bei der Inneneinrichtung wählen wir einen modernen Stil mit natürlichen Materialien wie Holz, Glas und Stein sowie einen starken Kontrast.
Im Mittelpunkt steht die Inszenierung der »sichtBar« – der Abfüllstation offener Lebensmittel.
Die Lebensmittel bringen viele Strukturen und verschiedene Farben mit - deshalb ist die Inneneinrichtung von schlichten Formen und Farben geprägt. Für den Kontrast haben wir einen Lachston als Signalfarbe gewählt.
Das Logo »sichtbar« ist ebenso eine schlichte Wortmarke, sie kann durch die Tagline »hier weißt du was du bekommst« ergänzt werden.
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