EpiMe – Förderung von Lebensstilinterventionen bei Gestationsdiabetes
Die ersten 1.000 Tage
Die ersten 1000 Tage ab der Konzeption sind eine entscheidende Phase für die gesundheitliche Entwicklung des Kindes. In dieser Zeit werden nicht nur die Grundlagen für die Gesundheit des Kindes gelegt, sondern auch das Risiko für spätere nicht übertragbare Krankheiten durch epigenetische Prägungen mitbestimmt (Koletzko et al., 2018, S. 1263). Ein gesunder Lebensstil während dieser kritischen Phase ist daher essenziell, um nicht übertragbaren Krankheiten vorzubeugen. Das Bewusstsein über die Bedeutung des Lebensstils für die Fertilität, den Schwangerschaftsverlauf sowie die langfristige Gesundheit des Kindes ist jedoch bei vielen werdenden Eltern nicht ausreichend vorhanden (ebd.).
Diabetes & Schwangerschaft
Weltweit nimmt die Verbreitung von Übergewicht und Fettleibigkeit zu, besonders bei jungen Erwachsenen, einschließlich Frauen im gebärfähigen Alter. Dies geht einher mit einem Anstieg an Schwangerschaften, die von Schwangerschaftsdiabetes betroffen sind (Ott et al., 2020).
Diese temporäre Erkrankung zählt weltweit zu den häufigsten ernährungsbedingten Schwangerschaftskomplikationen und wird durch ungesunde Ernährungsgewohnheiten und übermäßige Gewichtszunahme während der Schwangerschaft begünstigt (Zuccarello et al., 2022).
Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Schwangerschaftsdiabetes, der rund 14 % aller Schwangeren weltweit betrifft, und den damit einhergehenden kurz- und langfristigen Folgen für Mutter und Kind, ist die Nutzung des Präventionspotenzials von besonderer Bedeutung. Untersuchungen zeigen, dass ein gesunder Lebensstil, der eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung umfasst, das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen minimieren und die Gesundheit von Mutter und Kind fördern kann. Insbesondere bei Schwangeren mit Gestationsdiabetes (GDM) besteht hier ein großes Präventionspotenzial (Koletzko et al., 2018). Eine wichtige Maßnahme ist die zielgerichtete Unterstützung von schwangeren Frauen bei diesen erforderlichen Verhaltensänderungen (Kytö et al., 2022).
GDM-spezifische Herausforderungen
Die Anpassung der Ernährung bei Gestationsdiabetes verlangt von den Betroffenen ein Verständnis komplexer Zusammenhänge und die Fähigkeit, dieses Wissen im Alltag umzusetzen. Wichtige Aspekte sind das selbstständige Messen des Blutzuckerspiegels, das Erlernen der richtigen Lebensmittelauswahl und -zusammensetzung sowie die Überwachung der Gewichtszunahme und die Prävention von Diabetes nach der Geburt. Oft erfolgt dies vor dem Hintergrund einer unerwarteten Diagnose und der Notwendigkeit, den persönlichen Lebensstil kurzfristig anzupassen (Schröder, 2020, S. 6).
Eine qualifizierte, individuell zugeschnittene Beratung mit praxisnahen Tipps ist daher von großer Bedeutung (ebd.). Ziel ist es, die Betroffenen zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Situation zu befähigen und das Selbstmanagement zu stärken, um den Glukosestoffwechsel positiv zu beeinflussen (ebd.). Besonders wichtig ist die Schaffung einer angstfreien Umgebung, da die Diagnose für viele Frauen einen Schock darstellt und häufig mit Unsicherheiten sowie Sorgen um das Wohl des Kindes einhergeht (Schröder, 2020, S. 7).
Gestaltung
Um diesen spezifischen Herausforderungen zu begegnen, wurden das Biophilic Design und ein Gamification-Ansatz für das Designkonzept herangezogen.
Das Biophilic Design basiert auf der Biophilia-Hypothese, welche unsere angeborene Neigung zu Leben und lebensähnlichen Prozessen unterstreicht. Es zielt darauf ab, durch die Integration von natürlichen Elementen in das Design – wie direkte Elemente aus Pflanzen, Wasser und Steinen oder durch naturinspirierte Formen und Materialien – nicht nur ästhetisch ansprechende, sondern auch gesundheitsfördernde Umgebungen zu schaffen. Die positive Wirkung auf den Stressabbau, die kognitive Leistung und die Stimmung steht dabei im Vordergrund (Rehn, 2019).
Parallel dazu fördert Gamification durch die Einbindung von spielbasierten Elementen in nicht-spielerische Kontexte Motivation und Engagement. Die Verwendung von Spielelementen in Bereichen wie Fitness, exemplarisch durch Fitness-Tracker, erhöht sowohl die intrinsische als auch die extrinsische Motivation. Die Selbstbestimmungstheorie, die die Erfüllung der psychologischen Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit betont, spielt dabei eine Schlüsselrolle für die Steigerung der Motivation und das langanhaltende Engagement (Becker & Metz, 2022).
Ergebnis
Das Ergebnis ist die fiktive digitale Gesundheitsanwendung „EpiMe“, speziell konzipiert für die Risikogruppe der GDM-Betroffenen. Schwangere werden durch die App befähigt, informierte Entscheidungen für ihre Gesundheit und die ihres Kindes zu treffen. Sie unterstützt das Verständnis des Präventionspotenzials der ersten 1000 Tage, die Umsetzung personalisierter gesundheitsförderlicher Lebensstilinterventionen und das erfolgreiche Management des Gestationsdiabetes. Das niedrigschwellige Angebot ergänzt die ärztliche Therapie und hilft den Schwangeren, ihre Behandlungsziele zu erreichen, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden und die Gesundheit von Mutter und Kind zu fördern. „EpiMe“ integriert einen multimodalen Therapieansatz, der Aufklärung, Motivation, persönliche Ziele und kontinuierliches Monitoring vereint, was eine umfassende und individuelle Betreuung ermöglicht.
Das Selftracking erlaubt die kontinuierliche Aufzeichnung von Gesundheits- und Lebensstildaten, wodurch ein detaillierteres Verständnis des eigenen Gesundheitszustands und die Interpretation dieser Informationen möglich werden. Dieses „Patient-Empowerment“ ermöglicht es Schwangeren, auf Augenhöhe mit den behandelnden Ärzten zu interagieren und gemeinsam eine Behandlungsstrategie zu entwickeln.
Das Projekt zeigt einen explorativen Lösungsansatz für die Förderung von Lebensstilinterventionen bei Schwangeren mit GDM auf. Es reflektiert auch die Notwendigkeit, präventive Maßnahmen im Bereich der Schwangerschaftsgesundheit durch innovative Ansätze wie mHealth zu stärken, um die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind zu unterstützen.
Quellen:
Becker, W., & Metz, M. (Hrsg.). (2022). Digitale Lernwelten – Serious Games und Gamification: Didaktik, Anwendungen und Erfahrungen in der beruflichen Bildung. Springer VS Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35059-8
Koletzko, B., Cremer, M., Flothkötter, M., Gräf, C., Hauner, H., Hellmers, C., Kersting, M., Krawinkel, M. B., Przyrembel, H., Röbl-Mathieu, M., Schiffner, U., Vetter, K., Weißenborn, A., & Wöckel, A. (2018). Diet and lifestyle before and during pregnancy – Practical recommendations of the Germany-Wide Healthy Start – Young Family Network. Geburtshilfe Und Frauenheilkunde, 78(12), 1262–1282. https://doi.org/10.1055/a-0713-1058
Ott, J., et al. (2020). Intergenerational Metabolomic Analysis of Mothers with a History of Gestational Diabetes Mellitus and Their Offspring. International Journal of Molecular Sciences, 21(24), 9647. https://doi.org/10.3390/ijms21249647
Rehn, J. (2019). Gesunde Gestaltung. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23555-0
Schröder, A. (2020). Ernährungstherapie bei Gestationsdiabetes: Leitfaden für die Beratung (1. Auflage). DGE, BZfE. Bonn: Herausgeber.
Zuccarello, D., Sorrentino, U., Brasson, V., Marin, L., Piccolo, C., Capalbo, A., Andrisani, A., & Cassina, M. (2022). Epigenetics of Pregnancy: Looking beyond the DNA code. Journal of Assisted Reproduction and Genetics, 39(4), 801–816. https://doi.org/10.1007/s10815-022-02451-x
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Kai-Uwe Lehanka / www.lehanka.de
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