Ich sehe was, was Du nicht siehst.

Vorurteile durchdringen unser Denken und Handeln. Es sind Vorstellungen, die tiefe Wurzeln in der europäischen Kolonialgeschichte haben und unser tägliches Leben in vielerlei Hinsicht unterbewusst beeinflussen.

Afrika ist für Europäer:innen kein Geheimnis mehr, aber das Afrika, das in den meisten Köpfen steckt, ist stark stereotypisiert: Bürgerkriege, Hungersnot, Armut, Tierparadies, Hitze, Dschungel, Natur und Korruption. Die ewig gleichen Bilder der „unzivilisierten Afrikaner:innen“, die in neuen Formen wiederkehren. Ironischerweise haben wir hier in Europa, obwohl wir wenig über Afrika wissen, scheinbar klare Vorstellungen von diesem Kontinent. Die Repräsentation Afrikas in den unterschiedlichsten Medien spiegelt die Diversität und Vielfalt des Kontinentes aber nur selten wider und zeichnet noch lange kein vollständiges Bild. Stattdessen kommt es zu einer Überrepräsentation negativer Darstellungen, die sich in Form von Stereotypen über Generationen weitergeben und festigen.

Zudem herrscht immer noch eine große Unwissenheit über die deutsche Kolonialvergangenheit. Das hat zur Folge, dass die Auswirkungen des Kolonialismus in den meisten Fällen völlig verharmlost, unterschätzt, oder gar geleugnet werden. Stereotype und Vorurteile herrschen dort, wo qualitatives Wissen für eine differenzierte Wahrnehmung fehlt.

Der erste Teil der Ausstellungsreihe »Ich sehe was, was Du nicht siehst.« behandelt die Stereotypen rund um den afrikanischen Kontinent. Der europäische Kolonialismus und der damit einhergehende Rassismus haben die heutige Welt entscheidend geprägt. Beides ist immer noch tief in unserer Gesellschaft verankert.
Die Ausstellungseinheit motiviert in allen Teilen der Serie dazu, sich zu historischen Vorgängen und zum eigenen Verhalten eine Meinung zu bilden, Stellung zu beziehen und eigene Denkmuster zu hinterfragen. Die Ausstellungen zu den Stereotypen Afrikas, Asiens, Ozeaniens, Nord- und Südamerikas gehen thematisch ineinander über und sind konzeptionell, gestalterisch und medial eine Einheit. Sie zeigen, wie sich unbewusst verankerter Rassismus in Form von Stereotype seit Generationen weitergibt und sich in unserem Handeln und Denken bemerkbar macht.

Die Grundidee des Konzeptes ist ein schneller Auf- und Abbau mit einem einfachen Stecksystem, welches möglichst ohne Werkzeug und Verschleißmaterial funktioniert. Außerdem bietet dieses System die Option, Inhalte einfach zu ergänzen, auszutauschen und zu erweitern. Dafür müssen lediglich einzelne Module des Stecksystems ausgetauscht werden, und nicht etwa die gesamte Ausstellung modifiziert werden.

Wir möchten den Zugang über den öffentlichen Raum nutzen, um unter anderem Menschen zu erreichen, die sich unbewusst (mit eigentlich guten Absichten) rassistisch verhalten, in jedem Fall aber rassistisch sozialisiert sind. Da kolonial-rassistisches Gedankengut in jedem Menschen schlummert und somit auch alle betrifft, ist es wichtig, dass die Informationen für jede Person frei zugänglich sind. Durch die ständige Konfrontation mit der Intervention und der Thematik soll Wissen nachhaltig gefestigt werden. Die Ausstellungseinheit soll als Wander-Ausstellung im öffentlichen Raum Wissen vermitteln und zur Selbstreflexion anregen. Dabei sollen öffentlich zugängliche Bildungseinrichtungen wie beispielsweise Bibliotheken, Museen, Hochschulen oder Universitäten zum Hauptstandpunkt werden.

Handels- und Gedankenmuster zu dekolonialisieren bedeutet nicht, die Vergangenheit unsichtbar zu machen. Vielmehr soll sie mit all ihren Widersprüchen und Konsequenzen sichtbar gemacht werden. Der Weg zu einer ausgewogenen Berichterstattung und zu neuen Repräsentationen der Länder außerhalb Europas führt vor allem über Aufklärung, Bildung und Begegnung und nicht etwa über Gleichgültigkeit oder Ignoranz. Veränderung passiert nicht innerhalb von Komfortzonen, vor allem nicht bei solch „unbequemen“ Themen wie Rassismus und Stereotypen. Es bedeutet manchmal auch, dass man versteht, dass die Mauern, die die Komfortzone bisher immer gut beschützt haben, unerwartet hoch waren. Der Katalog zur Ausstellung soll Besucher:innen dabei helfen, eigene Denk- und Verhaltensmuster kritisch zu hinterfragen.